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miert und kommt zu mir rüber. Es ist der Mann von dem leicht übergewichtigen Pärchen,
mit denen ich mir noch heute Nacht, kurz unter dem Stella Point , einen heißen Dreikampf
geliefert habe. Einen Dreikampf zwischen Not und Elend. Und als Leidensgenossen im
Geiste, freut es mich sehr zu hören, dass es die beiden auch noch bis auf den Gipfel
geschafft haben. Wir philosophieren noch etwas wie alte Hasen über das Erlebte. Ganz so
wie sich das gehört, als würden wir schon jahrelang nichts anderes als Bergsteigen unsere
Profession nennen, bis die Sonne sehr schnell untergeht und Hasani mit dem Essgeschirr
angeklappert kommt.
Nach dem Essen in meinem Zelt - ich wollte es mir gerade gemütlich machen - wird zum
x-ten Mal auf dieser Tour meine Zeltplane aufgerissen. Erst war ich nur genervt, dann deut-
lich verwundert. Denn jemand hält eine brennende Kerze mitten ins Zelt, dicht gefolgt von
fünf grinsenden Gesichtern. Und bevor ich richtig begreifen kann, was sich mir gerade
für ein Schauspiel bietet, dröhnt auch schon aus fünf vergnügten Kehlen Gesang. Ich rate
mal: es ist ein tansanisches Geburtstagslied, das mir mein gesamtes Team zum Besten gibt.
Gasper, Juma, Hasani, Japhet und Wilson bilden ein fulminantes Gesangsquintett, das an
Perfektion und Eleganz sicherlich weltweit ihresgleichen sucht. Aber egal, wie krähenhaft
ihreDarbietungist,ichbinsichtlicherfreut,dassdieJungssoetwasfürmichmachen.Nach
der Gesangseinlage kommt plötzlich noch der Geburtstagskuchen zum Vorschein, den ich
am Gipfel schon in seiner vollen Pracht bewundern und leidvoll verkosten durfte. Wilson
muss ihn den ganzen Weg bis hierher mitgeschleppt haben. Ein verrückter Typ. Und noch
bevor ich genau weiß, ob das jetzt Glück oder Unglück für mich ist, habe ich schon die
Gabel mit einem ordentlichen Stück dieser Zuckerbombe im Mund. Mit einer Geste der
Dankbarkeit schlucke ich das Stück Kuchen artig runter, während mir Gasper ein zweites
nachschiebt und signalisiert, dass ich ihn und alle anderen Jungs auch mit Kuchen füttern
soll. Gesagt, getan und so sitzen wir alle schmatzend beieinander und planen gedanklich
schon den nächsten Termin beim Zahnarzt. Ich finde es richtig toll, dass ich Opfer dieses
Rituales sein durfte, auch wenn ich weiß, dass das der Job der Jungs ist und etwas Eigen-
nutz immer dabei mitschwingt. Werden doch schließlich morgen die Trinkgelder verteilt
und das hier ist die optimale Gelegenheit, sich dem Klienten nochmal positiv ins Bewusst-
sein zu rufen. Aber das stört mich überhaupt nicht. Denn mal ehrlich, ich hätte das wahr-
scheinlich genauso gemacht. Hätte alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, damit der
in meinen Augen reiche Deutsche sein Portemonnaie ganz weit für mich aufmacht. Hätte
versucht, das Maximum für mich und meine Familie rauszuholen.
Kaum war die Feiergesellschaft verschwunden, will Gasper auch gleich die Gelegenheit
nutzen, um mich zu fragen, ob ich mir denn schon Gedanken gemacht habe über die Höhe
der Trinkgelder und wie ich diese verteilen möchte. Anscheinend lässt er diesbezüglich
nicht viel anbrennen. In der Tat hatte ich mir darüber schon einige Gedanken gemacht,
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