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ich in Gedanken schon beim Barmann die Bestellung aufgebe, stapfen Gasper, Wilson und
ich bedacht langsam vom Uhuru Peak zum Stella Point hinab. Das Bergabgehen tut gut. So
gut, dass ich für einen kurzen Moment im Überschwang der Euphorie fast all meine Sch-
merzen ausblende. So gut, dass ich mich dieses Mal nicht am Stella Point übergeben muss
und stattdessen ein paar Erinnerungsfotos von Gasper knipse, der sich das ramadansche
Gipfelkreuz über seinen Rücken wirft und damit lässig vorm Blechschild posiert. Dabei
wundere ich mich, wie dieses riesige, fette und eigentlich nicht zu übersehende Holzkreuz
plötzlich und von mir wieder völlig unbemerkt vom Uhuru Peak zum Stella Point gekom-
men ist. Aber egal. Es wird Zeit. Noch zweimal Bing! Bing! und weiter.
Gut gelaunt aber wortlos verlassen wir den Stella Point . Fünfzig Meter unter eben diesem
kommen uns immer noch vereinzelt Bergsteiger entgegen, die Mitternacht aufbrachen und
nun seit fast neun Stunden im Aufstieg sind. Ich kann es gut nachempfinden, wie sie sich
fühlen müssen, wenn sie mir so entgegen torkeln. Die Münder weit aufgerissen und mit
dicken, schwarzen Augenringen, die sich unter den Rändern der Sonnenbrillen abzeichnen.
Ein elender Anblick der Gesichter, die sich teilweise in hässliche und gequälte Halloween-
fratzen verwandelt haben. Die verbissen und fast regungslos den Wunsch ausdrücken, jetzt
lieber ganz woanders zu sein, irgendwo auf Sansibar unter Palmen am Strand zu liegen
und genüsslich einen Cocktail nach dem anderen zu schlürfen, während die leichte Meeres-
briese ihre braungebrannte Haut verwöhnt. Ich spare mir daher die dämlichen Sprüche, die
ich mir selbst vorhin noch anhören musste und die mich total geärgert haben. Ich gehe ein-
fach weiter. Gehe weiter, schweige und lasse sie damit ungestört bei ihrem eigenen Kampf
zurück. Einen Kampf gegen die Höhe und Erschöpfung, den ich bereits überglücklich ge-
wonnen habe und den diese armen Gestalten noch mit sich selbst und dem Berg ausfechten
müssen.
Kurze Zeit später verlassen wir den Aufstiegspfad durch das Lavafeld, den wir noch bei
Sonnenaufgang gegangen sind und biegen links ab. Gasper gibt die Richtung vor, auch
wenn mir diese neue Unbekannte nicht sonderlich gefällt. Er ist schließlich der Guide und
wenn einer wissen muss, wo es langgeht, dann sicherlich er. Der Lavaboden, der beim Auf-
stieg vor zwei Stunden schon sehr lose und rutschig war, ist jetzt durch die Kraft der Sonne
weiter aufgetaut, dadurch tief und kaum begehbar. Der Hang, den wir hinab laufen, nim-
mt unterdessen immer mehr an Steilheit zu. Bei dieser Neigung und diesem losen Unter-
grund kommt richtiges Wintersportfeeling auf. Und mit meinen Wanderstiefeln in Größe
48 schlittere ich wie auf Ski den Hang hinab. Schlittere immer schneller und schneller,
bis es mir langsam unheimlich wird. Die Schlitterpartie ist kaum zu kontrollieren und ich
muss mich ordentlich mit meinen Wanderstöcken gegen den Hang stemmen. Muss sie in
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