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Freitag - Tag 5 am Berg: Das Mweka Camp
Gasper drängt mich vehement zum Aufbruch. Etwa eine halbe Stunde sind wir jetzt fast
schon auf dem Gipfel. Deutlich länger als geplant, doch für mich noch lange nicht lang
genug. Ich könnte ewig hier oben bleiben und es fällt mir innerlich schwer, diesen beson-
deren Moment in meinem Leben wieder loszulassen. Nach zermürbenden Tagen des Auf-
stieges nur wenige Minuten am Gipfel, das scheint mir ungerecht. Ungerecht und zuckersüß
zugleich. Denn, egal wie vergänglich die Minuten auf dem Gipfel sind, in meiner Erinner-
ung werden sie ewig existieren. Zudem hat Gasper völlig recht. Es ist allerhöchste Zeit zu
gehen. Und ich tue gut daran, mich noch nicht in falscher Sicherheit zu wähnen. Denn ein
längerer Aufenthalt in der Höhe könnte mir den Rest geben. Das ist selbst mir als blutiger
Anfänger am Berg bekannt. Denn die Reaktion des Körpers auf die neue Höhe setzt meist
ersteinige Stundenzeitversetzt ein,dafüraberumsoheftiger.Unddasmöchte ichaufkeinen
Fall erleben. Das möchte ich mir nicht antun. Aber auch Gasper und Wilson nicht, die dann
die zweifelhafte Ehre hätten, mich vom Berg zu schleppen. Eine Gefahr, die immer noch
permanent über uns schwebt wie die scharfe Klinge eines Damoklesschwerts.
Durstig sortiere ich meine Ausrüstung auf 5.895 Metern, dann übergebe ich Gasper den
Rucksack. Er hat mir uneigennützig angeboten, diesen im Abstieg zu tragen. Müde und
vom Aufstieg noch angeschlagen, nehme ich sein Angebot auch dankend an und bohre
meine Trekking-Stöcke wieder in den sandigen, steinigen Boden des Kibos . Aber bevor ich
endgültig und wahrscheinlich für immer in meinem Leben dem Uhuru Peak den Rücken
zukehre, brauche ich ein greifbares Stück Erinnerung für meine Freunde und mich. Und
noch bevor irgendjemand dumm gucken oder blöde Fragen stellen kann, lasse ich mit zwei,
dreiflinkenHandgriffeneinigeLavabrockeninmeinerJackentascheverschwinden.Original
Lava vom höchsten Punkt in Afrika, das ist doch auch tausendmal cooler als irgendein däm-
liches Souvenir vom Straßenrand in Moshi oder Arusha . Und mit einem Grinsen und dem
Wissen, dass ich ein Weltnaturerbe bestohlen habe, begebe ich mich auf den Abstieg. Der
erste Schritt vom Berg runter. Ein echter Meilenstein. Eine Kehrtwende für den Bergsteiger
Stefan. Bisher war alles, was ich gemacht habe, jeder Schritt, jeder Gedanke nur darauf aus-
gelegt, den Gipfel zu erreichen. Das ist jetzt Vergangenheit. Jetzt geht es bergab. Was kann
jetzt schon noch passieren? Ich fühle mich wie ein müder, geschundener Cowboy in einem
dieseraltenItalowestern,derdieunerbittlicheWüstedurchquerthatundmittrockenerKehle
und dröhnendem Schädel dem Sonnenuntergang entgegen reitet, um sich im Salon der näch-
sten Stadt ein kühles, spritziges Bier zu gönnen. Ja, ein herrlich kühles Bierchen phantasiere
ich. Am besten ein echtes Kilimanjaro Lager oder ein Serengeti Banana Bier. Und während
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