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hoffte. Nein, dieser Anblick der Tafel sitzt wie ein tiefer Splitter in meinem Herzen. Lastet
tonnenschwer auf meiner Brust. Eine Last, die meinen Hintern gerade mit voller Wucht auf
das Holzbrett drückt. Eine Last, die meinen Rücken an die kalte Felswand presst. Niemals
zuvorinmeinendreißigJahrenaufdieserErdewarichphysischundpsychischsoamEnde.
Nichts weiter als ein zusammengesunkenes Häufchen Elend, 156 Höhenmeter unter dem
Gipfel. Demotiviert möchte ich nur noch meine Ruhe haben. Ich bin unendlich müde und
schließe die Augen. Nur für ein paar Sekunden Schlaf, sage ich zu mir. Nur kurz die Augen
ausruhen und neue Kraft schöpfen… aber ich weiß in diesem Moment, dass ich lüge.
Gasper rüttelt sehr grob an meiner Schulter und führt mir die Tasse an den Mund. Hastig
schlucke ich das ganze Wasser runter. Herrlich. Es tut gut, mal nach über zwei Stunden
wieder etwas Flüssigkeit in meinen trockenen Mund zu bekommen. Kaum habe ich die
Tasse abgesetzt, hält er mir einen halben Energieriegel unter die Nase und gestikuliert, dass
ichdasDingsofortaufessensoll.UndinunserbeiderInteressewillichihmdiesenGefallen
auch tun. Während ich noch langsam auf dem faden und trockenen Riegel herumkaue, fällt
mir erst auf, wie ruhig und souverän mein Guide mit der Situation umgeht. Anscheinend
habe ich in Gasper einen kompetenten Bergführer gefunden, der auch bei brenzligen Situ-
ationen nicht die Kontrolle verliert. Sollte er auch nicht, denn wenn ich der Aussage von
Gasper glauben darf, war er schon über sechzig Mal auf dem Kilimandscharo. Eine stolze
Leistung, wie ich finde. Und die ruhige Art von ihm überträgt sich jetzt auch langsam auf
mich. Meine stakkatoartige Atemfrequenz nimmt wieder etwas ab und das Rauschen in
meinen Ohren pegelt sich auf ein erträgliches Maß ein.
Während ich Gasper weiter beobachte, wie er mich beobachtet, schlucke ich den ersten
Bissen des Riegels runter. Dann den Zweiten. Dann einen Dritten. Der dritte Bissen muss
irgendwie schlecht gewesen sein, denn mein Bauch krampft sich zusammen. Krampft so
stark, dass mir der stechende Schmerz durch den ganzen Körper fährt. Und bevor ich
mich versehe, steigt mir ein Gemisch aus Magensaft, Wasser und unverdautem Riegel die
Speiseröhre hinauf, um sich dann anschließend lautstark den Weg in die Freiheit zu suchen.
Der erste Schwall Kotze ergießt sich direkt über meine Hände, Wanderstiefel und Hose.
Ganzinstinktivsteheichsofortauf,alsichwiedermitWürgenanfangenmuss.MeinBauch
krampft so ekelhaft stark, dass ich mich vornübergebeugt an einem Felsen festhalten muss.
Der nächste Schwall trifft den Felsen und spritzt davon zurück. Gasper ist gleich an mein-
er Seite, um mich an der Schulter zu stützen. Mit der anderen Hand schlägt er mir leicht
auf den Rücken, ähnlich wie bei einem Kleinkind, was sich verschluckt hat. Anschließend
würge ich noch ein paar Mal, bis auch wirklich der letzte Rest von meinem Mageninhalt an
diesem Freitagmorgen am Stella Point verteilt ist und Gasper mich zurück auf dieses alte
schäbige Brett leitet.
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