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Was für ein unappetitlicher Anblick muss das für die anderen Bergsteiger sein. Das, was
sich seit einigen Minuten hier abspielt, ist sicherlich niemanden auf dem Plateau entgan-
gen. Aber ich nehme gerade eh nicht viel wahr. Nehme nicht mal wahr, was zwei Meter
vonmirentferntpassiert.Alsoauchnichtdiemitleidigen undirritierten Blickederanderen.
Und das ist auch gut so. Ich würde mich ja selbst nicht ansehen wollen, wenn ich einer von
ihnen wäre. Aber wahrscheinlich würde ich es trotzdem machen. Da verhält es sich wie mit
einem schweren Verkehrsunfall. Du willst zwar nicht hinsehen, aber die Neugierde zwingt
dich dazu. Zwingt dich dazu, diesen großen, kräftigen Typen mit roter Daunenjacke auf
seinem Holzbrettchen zu beobachten. Zu beäugen, wie er mit kotzeverschmierten Klamot-
tenundkotzeverschmiertemGesichtzusammengesunkendahockt.WieihmnochRotzeaus
der Nase läuft und Tränen vom Würgen in den Augen stehen. Genau das abschreckende
und schockierende Fotomotiv, was du deinen Freunden und Bekannten gern mitbringen
möchtest. Aber du lässt die Kamera stecken. Anstand und Ehrgefühl gebieten es dir.
Kotze. Überall Kotze. Das sind die ersten Gedanken, die ich fassen kann, als ich mich
wieder beruhige. Ich zittere am ganzen Körper und in meinem Schädel hämmert es uner-
träglich laut wie die Kolben einer alten Diesellok. Gleichgültig bewundere ich das Muster
von meinem feinsäuberlich verteilten Mageninhalt auf der geborgten Skihose und den
fast eingelaufenen Wanderstiefeln. Und mit einem verbissenen Grinsen auf den Lippen
beschließe ich, dass es Zeit ist, meine Checkliste für Höhenkrankheit erneut durchzugehen.
• Kopfschmerzen: Ja
• Unbehagen: Ja
• Schwindelanfälle: Ja
• Schlaflosigkeit: Ja
• Übelkeit: Ja
• Appetitlosigkeit: Ja
• Erbrechen: Ja
• Gehbeschwerden: Ja
• Koordinationsschwierigkeiten: Ja
• Benommenheit: Ja
• trockener Husten: Nein (bin aber eh erkältet)
Ok, zehn von elf. Der absolute Tiefpunkt. Ich fühle mich hilflos. Hilflos und verletzlich
wie ein Neugeborenes. Ist es das jetzt? Ist das die Rechnung, weil ich nicht die Macht
und Kraft hatte der unheimlichen Anziehungskraft des Gipfels zu widerstehen? Endet mein
Abenteuer hier und heute so glanzlos? Der Wind pfeift über die Kuppe und wirbelt Staub
