Travel Reference
In-Depth Information
Stiel. Ausgerechnet dieser dumme Trinkschlauch. War ich doch sogar ein Tag vor mein-
er Abreise noch in einigen Fachgeschäften, um mir eine Isolierung für den Schlauch und
das Mundstück zu besorgen. Aber Pustekuchen. Nirgends war so etwas in der Kürze der
Zeit aufzutreiben. Mit einem Schulterzucken habe ich damals noch beim Outdoorspezial-
isten gestanden und zu mir gesagt: „Mut zur Lücke, Stefan. Was kann da schon passier-
en.“ - Ja, Stefan, genau das kann passieren! Das Ding kann einfrieren und jetzt hast du
den Schlamassel! Zum Glück habe ich noch einen halben Liter original Kilimandscharo-
Gipfeltee in meinem Rucksack. Hastig trinke ich zwei Tassen aus dem Deckel der Ther-
moskanne und genieße es, wie der lauwarme Zuckertee sich in meinem Bauch verteilt. Von
meinem Oatsnack-Energieriegel kann ich das leider nicht behaupten, denn dieser erste Bis-
sen rastet fast fünf Minuten in meinem Mund. Beim Versuch ihn runterzuschlucken, bleibt
dieser mir auf halber Höhe in der Speiseröhre stecken undlässt sich nurmit einem weiteren
Schluck Tee dazu überreden, den Weg in Richtung Magen fortzusetzen. Und obwohl ich
mich gewissenhaft zwinge, habe ich jetzt große Schwierigkeiten, feste Nahrung aufzuneh-
men. Wie so oft in den letzten Tagen geht wieder nichts runter. Dazu kommt noch, dass
mir das Wasserlassen gegenwärtig große Schwierigkeiten bereitet. So sehr ich mich auch
bemühe, ich kann einfach nicht pinkeln. Da ist es auch wenig hilfreich, dass Gasper und
Wilson zwei Meter hinter mir sitzen und mich alle drei Sekunden über den Fortschrittsgrad
meines Unterfangens aushorchen. Während sie das tun, werfen sie mit der Taschenlampe
einen Lichtkegel auf den Boden direkt vor mir. Vielleicht denken sie ja, es ist wichtig für
mich zu sehen, welches Fleckchen Kilimandscharo ich gerade markiere. Aber auf alle Fälle
ist das nicht gerade hilfreich von ihnen. Selbst die größte Pionierblase streicht dabei die
Segel und Mann fühlt sich wie auf dem WC einer schäbigen Bar, in der drei ausgewach-
sene Männer Schulter an Schulter am Pissbecken stehen. Also melde ich höflichst keinen
Vollzug und schwanke weiter bergauf.
Links, rechts, links, rechts. Es ist 5:30 Uhr und der Gipfel ist noch nicht in Sicht, mein
Tee ist aufgebraucht und ich habe schrecklichen Durst. Meine Symptome haben sich weiter
verschlimmert. Wie in Trance gehe ich mit rundem Rücken und gesenktem Kopf Meter
um Meter über einen steinigen Lavaweg. Mein Kopf ist fast gedankenleer und ich habe
den Eindruck, dass mein Körper die Führung übernommen hat. Den Plan, um sechs bei
Sonnenaufgangam Uhuru Peak zustehen,habeichlängstüberdenHaufengeworfen.Über
den Daumen gepeilt, müssten wir unserem Zeitplan jetzt schon über eine Stunde hinterher-
hecheln.
Mit mir zusammen hat sich mittlerweile eine eiserne Dreiergruppe herauskristallisiert.
Die anderen beiden, ein Mann und eine Frau mittleren Alters, gehören zu einer weiteren
Gruppe, die es sich zum Ziel gesetzt hat, heute den Gipfel zu erstürmen. Genau wie bei
mir, hat sich das Erstürmen bei den beiden anscheinend auch sehr schnell erledigt. Viel-
Search WWH ::




Custom Search