Travel Reference
In-Depth Information
mehr kriechen wir jetzt einsam gemeinsam den Berg hinauf. Im Rhythmus ihrer Schritte
geht von den beiden ein regelrechtes Schnaufkonzert aus und bildet den optimalen Rahmen
für die langsam beginnende Morgendämmerung. Er und sie, wahrscheinlich ein Pärchen,
mit deutlich ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, was sich gut an den Hosen erkennen
lässt, die sich um die voluminösen Oberschenkel und den Hintern aufspannen, und ich, ein
„gut austrainierter“ Sportler. Zugegeben, mein Körper hat in den letzten Tagen ziemlich
Federn lassen müssen und die durch die dünne Höhenluft verursachte Höhenkrankheit hat
sich als ein echtes Problem erwiesen. Aber von zwei mutmaßlichen Schreibtischakrobaten,
für die es schon unter die Kategorie „Sport“ fällt den Hund um den Block führen, möchte
ich mich sicherlich nicht abhängen lassen. Es geht also im Wettkampfmodus weiter. Auch
dank meines Egos. Und obwohl mir dieses schon oft im Leben im Weg gestanden hat, er-
weist es sich erneut auf dieser Bergbesteigung als starker und anscheinend unerschöpflich-
er Antriebsmotor: ein Perpetuum mobile des eigenen Geistes.
Es ist unterdessen irgendwas zwischen halb sieben und sieben. Die genaue Uhrzeit in-
teressiert mich nicht mehr. Mein Zeitgefühl ist mir zwar längst abhandengekommen, aber
ich befinde mich immer noch im Aufstieg. Die bereits aufgegangene Sonne taucht den
Himmel in ein strahlendes Blau und die darunter liegende Wolkendecke in ein sattes
Orange. Meine leicht adipösen Begleiter habe ich hinter mir gelassen. Kein Grund zur
Freude, denn ich fühle mich so beschissen wie niemals zuvor. Dabei frage ich mich, wie
oft auf dieser Tour ich mich noch so schlecht wie jemals zuvor fühlen soll. Wie schlimm
dieser Trip, den ich Vollidiot leicht arrogant als laue Wanderung eingeschätzt hatte, eigent-
lich noch werden kann.
Bereits seit etwa einer geschlagenen halben Stunde, vielleicht auch einer ganzen, mühe ich
mich auf einem steilen, fast gerade verlaufenden Weg durch ein Lavafeld ab. Bei jedem
Schritt nach vorn rutsche ich in der tiefen Lavaerde wieder einen halben zurück. Ganz wie
Sisyphos. Meine Kräfte schwinden dabei immer mehr und ein Ende des Feldes ist nicht in
Sicht. Der Wunsch, mich einfach nur in die weiche Erde zu knien, die Augen zu schließen
und ein paar Minütchen zu schlafen, wird übermächtig. Warum auch nicht. Plötzlich und
völlig unerwartet taucht von mir links im Augenwinkel ein großes hölzernes Kreuz auf und
schiebt sich langsam an mir vorbei. Augenblicklich bleibe ich stehen. Habe ich jetzt et-
wa endgültig den Verstand verloren? Halluziniere ich? Könnte mich mal jemand zwicken?
Nein, ich bin zwar völlig im A..., aber dieses Ding ist tatsächlich ein drei Meter langes und
zwei Meter breites Holzkreuz. Und für die drei Gestalten, die das Kreuz den Berg hoch-
schleppen, hat die Redewendung „Jeder hat sein Kreuz zu tragen“ eine ganz besondere
Bedeutung. Warum machen die das? Keine Ahnung. Auffällig ist nur, dass die drei dam-
it genau am letzten Tag vom Ramadan ankommen. Vielleicht soll es aber auch zukünftig
als Gipfelkreuz auf Afrikas höchstem Punkt aufgestellt werden. Ist auch eigentlich völlig
Search WWH ::




Custom Search