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ins Gesicht gezaubert haben. Aber seinem aufmunternden Nicken und Zupfen an meinem
Rucksack nach zu urteilen, ist bei mir alles in Ordnung. Ich bin in seinen Augen „well pre-
pared“ und so ziehen wir uns noch einmal kurz zur finalen Besprechung in mein kleines,
grünes Zelt zurück. Zusammen essen wir dort jeder noch drei trockene Kekse, nehmen
jeder zwei starke Paracetamol und trinken einen originalen Kilimandscharo-Gipfeltag-Tee.
Ein Tee, der so viel Zucker enthält, dass der Löffel fast ohne Probleme darin stehen kann.
Um kurz nach Mitternacht gehen wir drei los. Neben Gasper und mir ist die dritte Person
Wilson.Wilson,einermeinerTräger,hatheutenureineAufgabe:ErsollmeineGeburtstag-
storte mit zum Gipfel tragen. Jawohl, eine Torte. Eine Geburtstagstorte, die mein Team
bereits seit vier Tagen über diesen gottverdammten Berg schleppt. Die zusätzlich ausge-
handelten 30 US-Dollar für Wilson dafür, dass er unplanmäßig mit an der Gipfelbesteigung
teilnimmt, sind in meinen Augen gut investiert. Denn was gibt es schon cooleres, als seinen
30sten Geburtstag auf dem Dach Afrikas zu feiern? Und das auch noch mit Torte. Aber das
ist Zukunftsmusik, denn noch sind wir meilenweit vom Uhuru Peak und einer Geburtstag-
sparty entfernt. Noch spiele ich den Bergsteiger, der mitten in der Nacht zum Gipfel auf-
bricht und der neben seinem halbgefüllten Rucksack auch einen gehörigen Batzen Respekt
den Berg hinaufschleppt.
Um uns herum ist es stockfinster, als wir drei die Zelte und den Rest von meinem Team
hinter uns lassen, das hier im Barafu Camp bis zu unserer Rückkehr warten wird. Mein
Blick reicht nur so weit, wie der Lichtkegel meiner Stirnlampe es erlaubt. Wenige Minuten
später, nachdem wir das Klohäuschen passiert haben, reihen wir uns in ein Meer aus
Lichtern ein, das sich unaufhaltsam wie eine leuchtende Schlange den Berg hinaufwindet.
Reihen wir uns ein in ein Lichtermeer, das den Berg wie eine aufgefädelte Lichterkette
am Weihnachtsbaum zum Funkeln bringt. Die ersten paar hundert Meter führen noch über
mittelmäßig ansteigendes, relativ leicht begehbares Gelände, bis es so steil wird, dass wir
uns nur noch in Schlangenlinien am Berg hocharbeiten können. Ich versuche immer direkt
hinter Gasper zu sein. So dicht, dass ich ihm sogar einige Male in die Fersen trete. Ihm
macht das anscheinend nichts aus, im Gegenteil, er achtet weiterhin akribisch auf den Ab-
stand.Soakribisch,dassersogardaraufverzichtet,eineeigeneStirnlampezubenutzen,um
sofort an meinem Lichtkegel zu bemerken, wenn ich den Anschluss verliere. So im Gleich-
schritt kämpfe ich mich Meter um Meter weiter nach oben. Vor mir Gasper und hinter mir
Wilson. Trotz der kühlen Temperaturen fange ich sehr schnell an zu schwitzen und muss
den Reißverschluss der dicken Daunenjacke weit aufziehen. Ich habe das bedrückende Ge-
fühl, das mich die Kleidung schrecklich einengt und dadurch die Luft zum Atmen nimmt.
Aber in Wirklichkeit ist es nicht die Kleidung, sondern die immer dünner werdende Luft,
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