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Freitag - Tag 5 am Berg: So weit die Beine tragen (Gipfeltag)
NochwährendichimZeltzwischendenSafari-FotosinmeinemHandyhin-undherblättere,
signalisiert mir der penetrante Alarm meiner Armbanduhr, dass es 23 Uhr und Zeit um
Aufzuwachen ist. Unnötig, denn ich liege bereits seit drei Stunden wach in meiner „Einman-
nzelle“. Also wieder drei unruhige Stunden ohne den dringend erforderlichen Schlaf und
definitiv viel zu viel Zeit zum Grübeln.
23:10 Uhr und ich checke zum zweiten Mal meine Ausrüstung für die Gipfeletappe. Ist
wirklich alles dabei? Genügend Wasser und Energieriegel, Stirnlampe, Ersatzlampe und Er-
satzbatterien, Ersatzhandschuhe, Sonnenbrille und MediPack? Ja, alles sieht gut aus. Also
ziehe ich so ziemlich alles an Klamotten an, was ich dabei habe, um dann den Schutz des
Zeltes zu verlassen und in die Nacht hinauszutreten. Die Temperaturen sind weit unter dem
Gefrierpunkt. Der Boden unter meinen Füßen ist gefroren und der Wind verbeißt sich in das
bisschen noch unbedeckte Haut in meinem Gesicht. In das Pfeifen des Windes mischt sich
das monotone Gebrabbel der Bergsteiger, die sich auch gerade für den Aufstieg vorbereit-
en und mit ihren Taschenlampen in den Zelten fahrig umher flackern. Diesem Schauspiel
schaue ich ein paar Minuten teilnahmslos zu und atme tief die kühle, unverbrauchte Ber-
gluft ein. Ich fühle mich nicht gut, muss immer wieder husten. Ertappe mich dabei, wie ich
vor meinen Zelt nervös auf und ab laufe und immer wieder in die Dunkelheit starre. Immer
wieder in die Richtung, in der der Gipfel, für mein Auge unsichtbar, durch die farblose Sch-
wärze der Nacht verschluckt wird.
Aus Faulheit und weil ich meine Kräfte schonen möchte, gehe ich nicht bis zum Klo-
häuschen, sondern nutze die Anonymität der Dunkelheit und pinkle direkt neben mein
Zelt. Auf frischer Tat ertappt, stellt Gasper sich mit einem Grinsen dazu und tut es mir
gleich. Vielleicht nicht die feine englische Art, aber der Situation irgendwie angemessen.
Anschließend checkt er noch einmal im Licht der Taschenlampe akribisch meine Klamotten
und wurstelt sich durch meine vier Schichten Bekleidung und all die Ausrüstung, die ich
angezogen und eingepackt habe - so wie ich sonst immer am Samstagmorgen durch die
Unmengen an Werbeprospekten und Broschüren wurstele, die den Weg im Briefkasten zur
Post versperren. Offensichtlich will er ganz sicher sein, dass wir wirklich alles Nötige dabei-
haben. Dass er mit mir nicht mitten in der Gipfeletappe und auf diesem unerbittlichen Weg
hinauf zum Uhuru Peak in unangenehme, typisch vermeidbare Schwierigkeiten gerät. Sch-
wierigkeiten, die alle auf schlampige oder überhastete Vorbereitung zurückzuführen sind
und die mein Guide Gasper über die Jahre hinweg sicherlich allzu oft eine fette Sorgenfalte
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