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wung. Leicht widerwillig beginnen sie damit, mein Zelt aufzubauen, das sie professionell
mit überall herumliegenden Steinen befestigen. Während mein Team die Zelte mitten im
Geröllfeld aufbaut, sitze ich leicht abseits und beobachte das Treiben. Machen kann ich
eh nichts. Was sollte ich auch? Als riesen Häufchen Elend sitze ich einfach nur da und
bin glücklich über jede Bewegung, die ich nicht machen muss. Also versuche ich lieber
keinem im Weg zu sein. Zeitgleich erkunde ich mit einem Blick das Lager. Hier gibt es
nichts, aber auch wirklich nichts Schönes. Das hier muss der ungastlichste Ort in Afrika
sein. Aber genau dieses Nichts, diese Ungastlichkeit, ist es, was mich gerade begeistert. So
habe ich mir eine Bergbesteigung immer vorgestellt. Es gibt nur mich und ein Fleckchen
Berg mit aschgrauen und rauen Felsen, das ich mir mit ein paar anderen Verrückten teile.
Und es gibt das dumpfe Gefühl im Bauch, dass sich alles nun Folgende, alles, was in den
nächsten Stunden, ja sogar Minuten passiert, völlig meiner Kontrolle entziehen kann. Dass
sich das Gefühl von relativer Sicherheit, das trotz aller Strapazen und körperlicher Prob-
leme in den letzten Tagen dennoch immer vorhanden war, plötzlich in Luft aufgelöst hat.
Dass es dem Bewusstsein gewichen ist, dass, wenn ich jetzt weitermache, wenn ich mich
jetzt dazu entscheide, weiter aufzusteigen, nicht nur mit meiner Gesundheit, sondern sog-
ar mit meinem Leben balanciere. Dass ich mein Abenteuer, ob nun Sonnenkind hin oder
her, durch meine jetzige, beängstigend miserable Verfassung ganz real mit meinem Leben
bezahlen könnte. Dabei vermischt sich in mir die Empfindung von Respekt und Bewun-
derung für jeden, der es bis hierher geschafft hat und sich an dieser letzten Gipfeletappe
versucht, mit dem alles überschattenden Nervenkitzel, der für mich ausgehend von dieser
fast unkontrollierbaren Situation versprüht wird. Ein perverses Gefühl. Ein Gefühl, das auf
mich unverständlicherweise eine magische Anziehungskraft und den unbändigen Reiz des
Neuen, des Unbekannten ausübt. Ein Reiz, der absolutes Suchtpotenzial verspricht. Ein
Reiz, der mir einen kalten Schauer über den Rücken jagt und der meine Gedanken nur noch
um den Berg kreisen lässt. Und in diesem Moment ist mir plötzlich klar, dass mich der
Kilimandscharo ganz fest in seinen Bann gezogen hat. Dass ich nicht mehr die Kraft und
dieMachthabe,dieserunheimlichenAnziehungskraftdesGipfelszuwiderstehen.Dassich
hier an diesem ungastlichen Ort alles daran setzen werde, um Afrikas höchsten Punkt zu
erreichen.
Aber versteht mich nicht falsch. Alles, was vorher kam, hat sich in mein Herz gebrannt und
diese Eindrücke werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Eindrücke wie der Regenwald
mit seinen atemberaubenden Pflanzen, der Sonnenuntergang am Shira Plateau oder ganz
banale, stundenlange Märsche über trockene Sand- und Geröllwüsten. Aber hier und heute
fängtfürmichdasrichtige Abenteuer an.Hierim Barafu Camp :meinem persönlichen Bas-
islager. Vergleichbar vielleicht mit dem Gefühl, was Bergsteiger am Mount Everest haben
müssen, wenn sie in ihren Zelten im Basislager liegen und wissen, dass es bald richtig ernst
wird. Natürlich möchte ich mir nicht anmaßen die Besteigung des Mount Everest und die
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