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Hut auf 4.600 Metern geht nichts mehr. Ich fühle mich hundeelend. So elendig wie nie in
meinem Leben zuvor. Mir ist schwindlig und ich taumele von einem Bein zum anderen.
In meinen Ohren rauscht es und ich habe echte Schwierigkeiten, einen klaren Gedanken
zu fassen. Würde ich es nicht besser wissen, könnte man denken ich wäre besoffen. Der
Drang, mich einfach nur auf die bretterbeschlagene Veranda der Hütte zu legen, ist über-
mächtig. Stattdessen fordert Gasper mich auf, mich in das Park-Buch einzutragen. Keine
Chance. Ich gucke auf das Buch und kann keine klare Schrift erkennen. Ich nehme den
Kugelschreiber und versuche meinen Namen und meine Unterschrift in das Buch einzut-
ragen. Aber meine Hand macht mir einen Strich durch die Rechnung, weil ich nicht in der
Lage bin, den Stift ordentlich zu führen. Irgendwas mit meiner Motorik funktioniert nicht
mehr - und das macht mir eine Scheißangst. Also kritzele ich noch etwas Ähnliches wie
meinen Namen in die unterste Zeile und setze mich unsanft auf einen Stein, leicht abseits
der Hütte. Dort auf meinem steinernen Hocker atme ich erst einmal ganz tief durch. Dort
frage ich mich ernsthaft, ob es das hier alles wert ist. Ob es das wert ist, sein Leben für
nur einen kurzen Moment auf dem Gipfel zu riskieren. Ob es das wert ist, sich einzureihen
in die Liste der ungefähr 20 Bergtouristen oder die der unzähligen Träger, die jedes Jahr
die Besteigung des Kilimandscharos mit dem höchsten Gut, mit ihrem Leben bezahlen.
Nein, das ist es gewiss nicht wert. Hier im Urlaub als Bergnovize wegen eines Gehirnö-
dems oder was auch immer den Löffel abgeben? Nein, das macht sich sehr schleppend im
Lebenslauf, darauf kann ich getrost verzichten. Dabei trifft es sich gerade ganz gut, dass so
ein Mist immer nur allen anderen passiert, allen anderen aber niemals mir. Mir, dem selb-
sternannten Sonnenkind. Mir, dem vermutlich der spielerische Bergwind bereits das letzte
bisschen Vernunft aus dem Gehirn geblasen hat. Doch bevor ich mir noch weiter meinen eh
schon höllisch schmerzenden Schädel zermartere, kommt Gasper zu mir und wir machen
uns träge, Schritt für Schritt, auf die Suche nach unserem restlichen Team und meinem
Zelt. Ein sehr zähes Unterfangen, das Gasper wieder versucht zu beschleunigen, indem er
das halbe Lager nach Hasani zusammenbrüllt. Unterdessen ist unsere Kommunikation, die
meinerseits eh schon stark verkümmert und einsilbig war, auf das Nötigste zusammenges-
chrumpft. Ich habe das dringende Bedürfnis bei jedem Wort, das meinen Kehlkopf ver-
lässt, lauthals zu kotzen und beschränke mich deshalb nur noch auf apathisches Kopfschüt-
teln und unmotivierte Handzeichen. Ich will nur noch eines: hoffentlich bald mein kleines
grünes Zelt finden und mich hinlegen können.
Gasper und ich sind die Ersten von meinem Team, die das Camp erreicht haben. Von den
Trägern Hasani, Japhet und Wilson und meinem Koch Juma fehlt bislang jede Spur. Eine
halbe Stunde vergeht bis die Jungs einer nach dem anderen langsam eintrudeln. Nachdem
sie endlich alle da sind und von Gasper erst einen Anpfiff, dann ihre Aufgaben bekom-
men haben, gehen sie sofort an die Arbeit. Gasper scheint trotzdem ziemlich sauer auf die
Jungs zu sein und bringt sie, mit zackigen Kommandos auf Swahili, ordentlich in Sch-
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