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Erdnüsse. Selbst das Trinken fällt mir schwer. Nicht, weil ich nicht durstig wäre, sondern
vielmehr, weil mich der ekelhafte Geschmack der Reinigungstabletten für das Trinkwasser
nach vier Tagen anwidert. Aber für solche banalen Befindlichkeiten ist hier schon lange
kein Platz mehr. Also kneife ich die Backen zusammen und schlucke den Dreck runter.
Würde ich jetzt noch damit anfangen, weniger als drei bis vier Liter Flüssigkeit am Tag zu
trinken, wäre das sehr riskant und garantiert mein Gnadenstoß.
Nun ist es Gasper, der Druck macht und mich auffordert, weiterzugehen. Ich persönlich
wäre gern noch auf meinem kalten Hocker sitzen geblieben. Hätte gern noch weiter den
Geierraben zugesehen, wiesiesichzufünfteinenmajestätischen Luftkampf überdemPlat-
eau liefern. Hätte gern noch den Portern einer anderen Tour zugesehen, wie sie sich im
handfesten Streit darüber einigen, wer hier bleiben darf oder wer mit in das höher gelegene
Barafu Camp muss. Aber mein Gespür sagt mir, dass mein Guide ganz genau weiß, was er
tut. Also laufen wir los. Besser gesagt, ich schleiche los und Gasper läuft mir geduldig hin-
terher. Denn die dünne Luft ist augenblicklich sehr präsent. Mehr als im Schneckentempo
einen Fuß vor den anderen zu setzen, ist nicht möglich - so müssen sich alte Menschen
fühlen, wenn sie im Supermarkt den Einkaufswagen vor sich hertreiben. Mehr stützend als
schiebend. Nach wenigen Minuten wünsche ich mir bereits die nächste Pause herbei, wohl-
wissend, dass noch fast zwei energiezerrende Stunden bis zum nächsten Camp vor uns lie-
gen.
Wir verlassen die windgeschützte Seite des Berges, als über uns dunkle Regenwolken
aufziehen, und tauchen in eine seltsame Lava-Mondlandschaft ein. Überall liegen große
und kleine Lavabrocken herum, die uns den Weg versperren. In der Ferne, auf einem ge-
waltigen Kamm, schimmern bunte Zelte aus der Monotonie der grauen Felsen hervor: das
Barafu Camp . Mit dem bloßen Auge schon zu erahnen, jedoch für die Füße noch so weit
entfernt. Aber das Ziel ist klar: durch dieses tiefe und langgezogene Tal und dann eine kur-
ze, aber steile Rampe hoch.
Um vier Uhr nachmittags erreichen wir nach sieben zähen Stunden Aufstieg die ersten
Zelte des Barafu Camps . Die Strapazen des Tages und die letzte steile Rampe haben
meinem Körper den Rest gegeben. Ich spüre jeden Muskel und kann mich kaum noch auf
den Beinen halten. Das Einzige was mich jetzt noch hält, sind meine Stöcke, mit denen ich
mich immer wieder abstützen muss. Mein Schädel dröhnt wie verrückt. Und verrückt sind
auch die letzten zehn Minuten durch das Camp bis zur Barafu Hut , die zu einer echten Tor-
tur für mich werden. Andauernd über meterhohe Felsen, die den Weg versperren. Vorbei
im Slalom an Bergsteigern, die es sich bereits in ihren Zelten gemütlich machen. Vorbei an
Trägern,diebepacktmitKanisternnocheinmaleinigehundertHöhenmeterbiszumerwäh-
nten Rinnsal für Koch- und Trinkwasser absteigen müssen. Angekommen an der Barafu
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