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ze und die mir guten Schutz vor dem Wind bietet. So gut versteckt vorm Wind, der kräftig
vonOstenübermeinenKopfhinwegfegtundsichinmeinergeborgtenWollmütze verbeißt,
schlürfe ich meine heiße Suppe und genieße das wohlig warme Gefühl, das sich dabei im
Körper breitmacht. Also lehne ich mich in meinem steinernen Fernsehsessel zurück und
ergötze mich an einer fiktiven Reportage über den Kilimandscharo im Discovery Channel,
in der ein Typ über das Naturschauspiel am Shira Plateau erzählt. Er berichtet, dass es für
ihn so beeindruckend war, dass er es eigentlich nicht in Worte fassen kann, weil es dafür
schlichtweg keine passenden Worte gibt. Dieser Superlativ muss erst noch erfunden wer-
den,sagter.Abererversteht jetzt, warumdieser magische Ort1987vonderUNESCOzum
Weltnaturerbe erklärt wurde. Wie langweilig, denke ich, nehme noch einen ordentlichen
Schluck Suppe und zappe mit meiner imaginären Fernbedienung weiter. Unterdessen be-
trachte ich die atemberaubende Landschaft während die Sonne an Kraft verliert und dabei
langsam am Horizont untergeht. Vor mir auf Augenhöhe ragt die Spitze des Mount Mer-
us aus dem lückenlosen Wolkenteppich hervor. Er wirkt dabei nicht wie ein Berg, sondern
vielmehr wie eine Insel. Eine Insel, die umgeben ist von einem endlos weiten Meer, dessen
Wellen durch die Kraft des Windes angepeitscht werden und tosend in einer Gischt gegen
die Küste des Shira Plateaus schlagen. Manbekommt dabei dasgrenzenlose Bedürfnis, die
wenigen hundert Meter bis zur Brandung abzusteigen, um anschließend mit seinen Füßen
im Wolkenmeer zu baden. Und wiederum einige hundert Meter über mir erstreckt sich eine
zweite, noch imposantere Wolkenschicht, die so weit reicht wie das bloße Auge blicken
kann und den Kibo völlig einhüllt. Den Kibo , dessen Nord-West-Seite man von hier sieht
unddessenGipfelichnurvageerahnenkann.PlötzlichbrechenStrahlenderuntergehenden
Sonne fächerartig durch kleine Risse in der oberen Wolkendecke und durchfluten den Him-
mel in allen nur erdenklichen Farbspektren. Einfach unbeschreiblich. Ein Panorama, das
viel zu schade ist, um es jemals auf eine Postkarte zu drucken. Ein Panorama, nicht einmal
für den Discovery Channel. Ein Panorama, das man in seiner Einzigartigkeit nur live vor
Ort genießen sollte.
Es wird Zeit, meinen steinernen Fernsehsessel zu verlassen. Die letzten Sonnenstrahlen er-
löschen und das Plateau wird von der gesichtslosen Dunkelheit der Nacht in Besitz gen-
ommen. Hastig stolpere ich zurück in Richtung Zelt und spüre jetzt deutlich die fallenden
Temperaturen, die sich langsam aber stetig dem Gefrierpunkt annähern. Soll heißen: es
wird arschkalt.
Gegen zwanzig Uhr poltert Gasper nochmal mit seiner Stirnlampe durch die Nacht und
quetscht sich zu mir ins Zelt. Er möchte wissen, ob es mir bereits besser geht. Leider
muss ich diese Frage mit einem trockenen „ NO “ beantworten. Daraufhin diskutieren wir
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