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Gasper schlendert lässig durch das Lager und klettert elegant zu mir auf den Felsen.
Genauso elegant wie eine Bergziege, die auch dem höchsten und steilsten Berg nicht mehr
als ein müdes Lächeln abgewinnt. Profi wie er ist, ist ihm natürlich nicht entgangen, dass
ich körperlich angeschlagen bin. Und wie ein erfahrener Bergdoktor fragt er mich erst
beiläufig über meine Symptome aus, um mich dann mit seiner Medizin, bestehend aus viel
Tee und Ruhe, ins Zelt zu schicken. Aber draußen tobt das Leben. Jedenfalls kommt mir
das so vor, wenn ich sehe, wie die Leute sich miteinander unterhalten, das Lager und die
Umgebung erkunden oder sich einfach nur verstohlen mit den Trägern ein Tütchen Mari-
huana teilen. Im Zelt tobt auch das Leben, nur etwas bescheidener. Ich nuckle an meinem
Popcorn und schütte dabei Unmengen an „Kilimanjaro-Tea“ in mich rein, bis mir fast die
Blase platzt. Dem ungeachtet, freue ich mich bei meinem freiwilligen Zwangsaufenthalt im
Zelt darüber, dass mir zumindest im Liegen nicht mehr schwindelig ist - so weit, so gut.
Aber wenn da nur nicht dieser ätzende, omnipräsente Kopfschmerz wäre... Ja, ohne den
könnte fast so etwas wie Spaß aufkommen. Tut's aber nicht. Noch nicht.
Nach zwei Stunden „Ruhe“ zerrt Gasper mich mit Engelszungen aus dem Zelt und wir
latschen die paar hundert Meter bis zur Shira Cave . Cave, das hört sich spektakulär an,
ist aber lediglich eine kleine, unscheinbare Höhle, deren Wände tiefschwarz vom Ruß der
Feuerstellen gefärbt sind. Rußpartikel, die sich über die Jahrzehnte ganz fest in den Fels
gefressen haben und heute noch ihre Geschichten von den guten alten Tagen erzählen, in
denen es den Bergsteigern erlaubt war, dort zu übernachten. Heute leider verboten, also
knipse ich noch ein, zwei Fotos fürs Poesiealbum zu Hause und es geht zurück Rich-
tung Zelt, bei dem bereits Hasani ungeduldig mit dem Abendessen wartet. Hasani ist mein
Träger Schrägstrich Bedienung beziehungsweise Porter Schrägstrich Waiter, wie die offiz-
ielle englische Bezeichnung lautet. Mit seinen 1,80 Metern ist er einen halben Kopf kleiner
als ich, hat einen schlanken Körper und ein längliches Gesicht mit engstehenden Augen.
Traurigerweise hat er auch noch eine große herausstehende Unterlippe, die mich immer an
Baba aus dem Film Forrest Gump erinnert und ihm zu Unrecht einen etwas dümmlich na-
iven Gesichtsausdruck beschert. Genau wie Gasper kommt auch Hasani aus Moshi , zählt
zum Stamm der Chagga und trägt schwarze Jeans, eine gelbschwarze Daunenjacke sowie
ein echt cooles Baseball Käppi von den Cleveland Indians.
Mein Hunger ist ungebrochen. Und weil ich keine Lust habe den halben Tag im viel zu
kleinen und unbequemen Zelt zu versauern, entscheide ich mich dazu, heute Abend unter
Afrikas freiem Himmel zu essen. Kurzentschlossen kippe ich alles in einem großen Ther-
mostopf zusammen. Und mit dieser Fusion aus Reis, Gemüse, das ich nicht kenne und
Soße, die ich nicht identifizieren kann sowie einem kleinen Schälchen Instantsuppe, ziehe
ich mich auf einen großen Felsvorsprung zurück. Direkt im rauen Fels befindet sich eine
durchErosiongeformte,muldenartigeVertiefung,diedazueinlädt,dassichmichhineinset-
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