Travel Reference
In-Depth Information
Die Anstrengungen, die durch das schwierige Gelände und die Lasten verursacht werden,
sind den Trägern jetzt deutlich anzusehen. Und auch mir läuft die Suppe lauwarm vom
Gesicht und den Rücken hinunter, tränkt meine Kleidung schweißnass. Bei zirka 3.500
Metern durchstoßen wir dann die Nebel- und Wolkendecke, die so dicht ist, dass ich das
darunterliegende Machame Camp nur noch vage erahnen kann. Die optimale Gelegenheit,
um eine kurze Pause einzulegen und das Lunchpaket aufzureißen. Ich habe einen Bären-
hunger und verschlinge gierig mein Essen. Und während ich mich, futterneidisch wie ich
bin, darüber ärgere, dass mir einer dieser blöden Geierraben runtergefallene Erdnüsse klaut
, zieht hinter mir der Nebel in einer atemberaubenden Kulisse das Tal hinauf. Kurz noch
die verschwitzte und völlig überflüssige lange Funktionsunterhose in den Rucksack stop-
fen und die dicke 200er Fleecejacke gegen eine dünnere tauschen und schon kann es weit-
ergehen. Weiter auf steinigen Wegen und zunehmend trockeneren Böden, weiter über wel-
lenartige Bergkämme. Und die gerade eben noch so reich vertretene, beeindruckende Flora
weicht plötzlich einer kargen, steinigen Landschaft.
Nach insgesamt fünf Stunden erreichen wir das Shira Plateau und das dort auf 3.840
Metern befindliche Shira Camp . Ich nehme einen großen Schluck aus meiner Trinkblase,
lege meinen Rucksack ab und setze mich leicht abseits auf einen großen Felsen. Eines steht
jetzt fest: mit mir stimmt irgendetwas ganz gewaltig nicht. Und die Frage nach meiner
Höhentauglichkeit, nun ja, die hat sich damit auch schneller beantwortet als mir lieb ist.
Bereits die letzte Stunde beim Aufstieg fühlte ich mich müde und unangenehm schlapp.
Aber nicht die Art von müde und schlapp wie es sich anfühlt nach einem anstrengenden
Ausdauer- oder Krafttraining. Nein, das kenne ich zur Genüge. Das hier ist etwas deutlich
anderes. Das hier ist neu. Ich habe den Eindruck, dass sich überall in meinem Schädel
Druck aufgebaut hat. In erster Linie am Hinterkopf und über den Augen. Besonders heikel
waren der plötzlich einsetzende Schwindel und die damit verbundene Trittunsicherheit.
Gerade, weil das letzte Wegstück vor dem Shira Camp teilweise seitlich an Felswänden
über Steinbrocken und schmale Wege führte. Ich musste mich richtig zusammenreißen.
Denn ich wollte auch nicht zu dem zweifelhaften Ruhm als Deutscher am Kilimandscharo
kommen, der abstürzt und dann fünfzehn Meter tiefer auf irgendeinem unbedeutenden
Felsen zerschellt. So viel Abenteuer wäre dann doch zu viel des Guten. Also beschloss ich
- ganz wie ich es damals im Kletterkurs an der Uni gelernt habe - immer erst artig einen
festen Griff oder sicheren Tritt zu suchen, bevor ich den nächsten, möglicherweise fatalen
Schritt mache. Eine Entscheidung, die ich bisher nicht bereut habe. Eine Entscheidung, die
ich gewiss auch in Zukunft nicht bereuen sollte.
Search WWH ::




Custom Search