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ten, die den stückweise steilen Hang hinaufführen, sind größtenteils von Moosen, loser
Erde und Gräsern überdeckt. Zu beiden Seiten wird unser Pfad von meterhohen Erik-
agewächsen und Farnen eingeschlossen. Durch den Regen der letzten Nacht und den
Nebel, der immer noch den Hang einhüllt, ist der steinige, mit Erde und Moosen überzo-
gene Boden sehr nass und rutschig. Zu rutschig, wie sich herausstellt. Denn trotz guter
Wanderstiefel und stabilen Trekkingstöcken, die ich unentwegt enthusiastisch in den Kili-
mandscharo ramme, verliere ich mehrfach die Bodenhaftung. Währenddessen läuft Gasper
seelenruhig mit einer Hand in der Hosentasche und der anderen Hand am Handy wenige
Schritte vor mir und springt gazellenartig von Stein zu Stein. Er lässt sich auch nicht
stören als Vorausgehende Steinbrocken lostreten, die dann der Schwerkraft folgend den
Abhang herunterschießen und für Irritation und panisches hin-und-her-Hechten unter den
Trägerkolonnen sorgen. Irgendwie erinnert mich das in diesem Moment an die alten
Schwarz-Weiß-Tarzanfilme mit Johnny Weissmüller, in denen die weißen Expeditionsführ-
er oder Großwildjäger ihre einheimischen schwarzen Träger regelrecht durch den Dschun-
gel trieben. Gut, heutzutage schwingt zum Glück keiner mehr die Peitsche, trotzdem kann
man bei diesem Anblick schon mal ein schlechtes Gewissen bekommen. Erst recht, wenn
man mit seinem mickrigen Sechs-Kilo-Rucksack unterwegs ist, während die schwerbe-
packten Träger nur mit Turnschuhen oder abgewetzten Stiefeln den Berg hinaufstolpern.
Man spürt förmlich, wie das Gefühl in einem hochsteigt, den „armen“ Trägern etwas von
ihrem teils völlig unnützen Krempel abnehmen zu wollen. Denn wer braucht schon gan-
ze Bierzeltgarnituren, riesige Stühle oder Zelte, in denen problemlos ein kleines Dorf-
fest stattfinden könnte? Der schiere Wahnsinn. Fehlt nur noch, dass sich jemand einen
Flachbildfernseher den Berg hochschleppen lässt, weil er seine Lieblingssoap nicht ver-
passen will. Da lobe ich mir meine Company, die anscheinend auf Purismus setzt und dam-
it genau meinen Puls trifft. Für mich muss sich keiner der Träger unnötig abschleppen.
Das Beeindruckende an den Trägern aber ist, dass ich niemals einen von ihnen stürzen
sehe. Dabei quälen sich diese hageren, bleistiftdünnen Burschen täglich mit riesigen Ruck-
säcken und schweren Transporttaschen auf dem Kopf. Diese unhandlichen Lasten sind sel-
ten leichter als 20 Kilogramm. Doch anstatt sich zu beschweren, singen sie einheimis-
che Lieder und haben immer ein freundliches „Jambo“ auf den Lippen. Beharrlich schlän-
geln sie sich an mir vorbei und arbeiten sich unbeirrt Meter um Meter in Richtung Kibo
hoch, dem höchsten der drei Vulkanberge des Kilimandscharos. Kaum vorstellbar, dass das
Gewicht vor Jahren noch nicht limitiert war und Träger mit einer Last von 50 bis 70 Ki-
logramm auf den Berg gehetzt wurden. Eine gängige Praxis, die damals noch zu unzähli-
gen Todesfällen geführt hat. Eine Praxis, die auch heute trotz Limitierung in regelmäßigen
Unglücken gipfelt. Unglücke, die sich zu oft mit dem Weiterleben der Betroffenen nicht
vereinbaren lassen und dem Kilimandscharo-Tourismus damit einen faden Beigeschmack
aufzwängen.
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