Civil Engineering Reference
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Stabelementverformungen i. A. reduziert wird auf die Bestimmung von Quer-
schnittswerten. Eine Ausnahme bildet die Berechnung von Spannungen und Ver-
formungen eines tordierten Trägers mit mehrzelligem Hohlquerschnitt: Dabei muss
stets ein lineares Gleichungssystem gelöst werden. Überhaupt muss im Hinblick auf
das Torsionsproblem gesagt werden, dass dessen Behandlung im Rahmen dieses
Kapitels unvollständig ist. Es wurde nur die Saint-Venantsche Torsion untersucht,
während in der Praxis in den meisten Fällen Wölbkraft - Torsion auftritt.
Wir haben gesehen, dass in einem Zugstab ein reiner Normalspannungszustand
herrscht und in einer tordierten Welle ein reiner Schubspannungszustand. Das be-
deutet jedoch nicht, dass in keiner Schnittfläche eines Zugstabes Schubspannungen
auftreten; auch nicht, dass in keiner Schnittfläche einer tordierten Welle Normal-
spannungen auftreten. Es ist vielmehr so, dass wir nur über Spannungen in Quer-
schnitten bisher eine Aussage gemacht haben. Welche Spannungen in anderen
Schnittebenen wirken, muss noch untersucht werden.
In den beiden letzten Abschnitten haben wir untersucht, was passiert, wenn Schnitt-
größe und Querschnittsflache nicht so zueinander liegen, wie in den Abschnitten 2.3
bis 2.5 vorausgesetzt. Was passiert z. B., wenn eine Längskraft nicht im Schwer-
punkt der Querschnittsfläche wirkt? Oder wenn die Biegemomentenebene nicht mit
einer Hauptebene des Stabelementes zusammenfällt? Im letzten Fall gibt es, so ha-
ben wir gesehen, zwei Möglichkeiten für die rechnerische Untersuchung: Entweder
man bezieht sich nach wie vor auf die Hauptachsen und zerlegt das Biegemoment
entsprechend, oder man arbeitet mit beliebigen Bezugsachsen und verwendet die
etwas komplizierter gebauten Formeln. Schließlich haben wir, besonders in Ab-
schnitt 2.6 gesehen, dass nicht bei allen Spannungen die errechneten Werte an der
entsprechenden Stelle eines Bauteils wirklich auftreten. Bei manchen Spannungen
handelt es sich um Rechengrößen, die mit dem physikalischen Sachverhalt im Bau-
teil nur wenig zu tun haben.
Abschließend noch ein Wort zur Bezeichnungsweise. Den Anfänger wird gewiss
irritieren, dass durchweg einerseits von Normalspannungen und andererseits von
Schubspannungen gesprochen wird. Tatsächlich sollte für die Schnittflächenbelas-
tung konsequent entweder auf die Art der Spannung (Richtung relativ zur Schnitt-
fläche) oder auf deren Ursache hingewiesen werden. Dementsprechend wäre sinn-
voll, entweder von Normalspannungen und Tangentialspannungen zu sprechen oder
von Normalkraftspannungen, Biegespannungen, Schubspannungen, Scherspannun-
gen und Torsionsspannungen. Nun, solche kleinen Inkonsequenzen müssen in Kauf
genommen werden bei allen Wissenschaften, die ihre Impulse aus dem praktischen
Schaffen empfangen und in engem Kontakt zur Praxis organisch wachsen. Bei allen
Untersuchungen dieses Kapitels haben wir eine lineare Beziehung zwischen Span-
nungen und Verzerrungen und homogene Bauteile mit gerader Stabachse vorausge-
setzt.
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