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Das Land war früher die mit Abstand
reichste Sowjetrepublik und erlebte
nach Erlangung der Unabhängigkeit
den tiefsten Absturz von allen 15 ehe-
maligen Sowjetrepubliken. Durch das
subtropische Klima begünstigt, blühte
die Landwirtschaft. Georgien war der
fast alleinige Lieferant von Zitrusfrüch-
ten und eines der größten Teeanbau-
gebiete. Georgischer Wein (Jahrespro-
duktion Mitte der 1980er Jahre etwa
800.000 Tonnen) war in der gesamten
Sowjetunion beliebt. Im Westen Geor-
giens hielt man vorwiegend Rinder, im
Osten Schafe. Typisch war die Neben-
wirtschaft, die etwa 50 % der gesam-
ten Erträge erzielte. Das ermöglichte
es den georgischen Bauern, ihre Er-
zeugnisse per Flugzeug (Tickets waren
so billig, dass heutige westeuropäische
Billigairlines neidisch werden könnten)
in andere Gebiete des Sowjetimpe-
riums zu verbringen und dort zu ver-
kaufen. Ob in Riga oder Moskau, die
„Kaukasier“ verkauften ihre Waren
und verdienten gutes Geld, was natür-
lich auch Neid hervorrief.
Auch die Industrie florierte. Neben
dem metallurgischen Kombinat in Rus-
tawi, das nach dem Zweiten Weltkrieg
von mehrheitlich deutschen Kriegsge-
fangenen quasi aus dem Boden ge-
stampft worden war, gab es Fabriken
für Lastkraftwagen, Traktoren, Flug-
zeug- und Computerteile.
Nach Erlangung der Unabhängigkeit
brachen diese Industriezweige fast
vollständig weg. Die Zulieferungen
aus der ehemaligen Sowjetunion wa-
ren abgeschnitten, ebenso die Absatz-
märkte für Industriegüter, aber auch
für Zitrusfrüchte, Tee und Wein. Die
meisten Industriebetriebe wurden ent-
weder stillgelegt oder produzieren nur
noch sporadisch, das heißt, sobald ei-
ne konkrete Bestellung vorliegt. Man
spricht davon, dass das Produktions-
volumen 1994 nur noch 25 % des Vo-
lumens von 1989 betragen hat, 2001
etwa 35 %.
Finanzwesen
Durch die Loslösung von der Sow-
jetunion musste auch das Finanzwe-
sen neu geordnet werden. 1992 kam
es zu einer Hyperinflation von
1339 %. Die Verbraucherpreise stie-
gen um 7000 %. Daher wurde 1993
der Kupon eingeführt, der den Rubel
ablöste. Zunächst wurden die Gutha-
ben, die auf der Staatsbank (dem ein-
zigen Kreditinstitut jener Jahre) lagen,
1:1 umgetauscht in Kuponi. Da jedoch
Korruption und Schwarzhandel blüh-
ten, hatten viele Menschen ihr Geld
(Rubel) in Koffern oder Kissen ver-
steckt, die sie natürlich nicht umtau-
schen konnten. Viele sollen ihr
Schwarzgeld einfach verbrannt oder in
die Mülltonne geworfen haben. Eine
Vorstellung über den „Wert“ des Ku-
pons kann man sich machen, wenn
man bedenkt, dass 1000 Kuponi 1993
einem US-Dollar entsprachen, zwei
Jahre später mussten für einen Dollar
schon zwei Millionen Kuponi hinge-
legt werden.
Mit Unterstützung des Internationa-
len Währungsfonds (IWF) und der
Weltbank wurde 1995 der Lari einge-
führt, der die wertlosen Kuponi ablös-
te. Er wurde 1998 noch einmal abge-
 
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