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abzudriften? Wir haben bereits gesehen, dass diese Richtung schnurgerade in die
Buhmann-Falle führt.
Die systemische Kommunikation bietet eine Möglichkeit, sich diesem Außenseiter-
Problem aus einem weiteren Blickwinkel zu nähern. 85 Nach diesem Ansatz gibt es
nicht auf der einen Seite einen Verursacher und auf der anderen Seite eine
Wirkung, sondern immer eine bestimmte Wechselwirkung. Der Buhmann im
Team ist also nicht der Verursacher und die Buh-Rufe des Teams nicht die
Wirkung. Die Frage lautet: „Was leistet der Buhmann innerhalb der Gesamtgruppe und
was haben die Beteiligten davon, den Buhmann in seiner unangenehmen Rolle
festzunageln?“ Die Gesamtgruppe wehrt sich instinktiv dagegen, dass der
Buhmann eine wichtige Aufgabe für das Team leistet. Die Gruppenmitglieder
finden es ganz angenehm, nicht selbst in die paranoide Welt aus Bedrohungen und
Sicherheitsvorfällen eintauchen zu müssen. Diese Welt, in der man in Risiken und
Sicherheitsmaßnahmen denkt, löst bei vielen Unbehagen aus. Sie würden sich
lieber in einer Welt sehen, in der man unbekümmert alle Türen offen lassen kann.
Wir haben dieses paradoxe Verhalten bereits im Abschnitt über den
Vertrauensverlust durch Sicherheitsmaßnahmen betrachtet. Da kommt es gerade
recht, das IT-Sicherheitsbeauftragte, Datenschützer und Co. diese unschöne
Aufgabe übernehmen und man sich selbst auf die Position zurückziehen kann, von
all diesen schlimmen Risiken nichts zu verstehen: Auch wenn die Sicherheitsprofis
in der Buhmann-Falle festsitzen, so wissen doch alle auf eine verborgene Weise,
dass sie für die Erhaltung des Gesamtsystems unentbehrlich sind.
In vielen Fällen übertreiben die Security-Buhmänner ihr Verhalten sogar und
drängen sich damit selbst weiter in diese Rolle - unter Umständen gefallen sie sich
sogar darin. Die Studie „Aus der Abwehr in den Beichtstuhl“ 86 zitiert
Sicherheitsprofis, denen es ähnlich geht. Dort wird konstatiert, dass ein guter
Sicherheitsmann keine Freunde haben kann oder zumindest etwas nicht stimmt,
wenn der CISO der beliebteste Mann im Unternehmen ist. Einer wird manchmal
der Inquisitor genannt. Ich stand schon vor der Tür eines IT-
Sicherheitsbeauftragten, an der das Bild Girolamo Savonarolas hing. Der war
italienischer Dominikaner und Bußprediger und im 15. Jh. de facto Herrscher über
Florenz. Er war für einige Hinrichtungen verantwortlich und sein Leben fand
letztlich selbst bei einer Hinrichtung ein Ende.
Die Situation, dass das Gesamtkonzept davon abhängt, dass die Sicherheitsprofis
in der Buhmann-Falle sitzen ist natürlich verheerend. Man legitimiert damit alle,
die schlecht auf einen zu sprechen sind. Dies gilt es zu vermeiden, wenn negative
Karl Benien; Schwierige Gespräche führen; 2007; rororo; ISBN 9783499614774; Seite 112 ff
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