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Verändert hat sich aber auch das Kli-
ma. Politische Gegner Bompards be-
richteten, dass sie keine Versamm-
lungsräume mehr bekommen, weil die
Gastronomen Angst haben vor Sank-
tionen ihres Bürgermeisters. Inzwi-
schen hat Bompard ein neues Festival
etabliert, die „Rencontres Classiques“.
Sie bieten klassisches französisches
Theater - ohne die heutigen gesell-
schaftlichen Probleme auch nur zu
streifen. Auch wenn dieses Festival
von Presse und Fernsehen weitgehend
boykottiert wird, gefällt es dem Publi-
kum. Und mehr will Bompard ja gar
nicht. Nach 13 Jahren Front National
wirkt Orange äußerlich wie eine ganz
normale Kleinstadt. Dem Versuch, die
äußerste Rechte zu dämonisieren, hat
sie sich hier geschickt entzogen. So
wie auch anderswo.
Die Provence als Stammland der
äußersten Rechten - diese Entwick-
lung verschärfte sich bei den Präsi-
dentschaftswahlen 2002. Das Ergeb-
nis kam einem politischen Erdbeben
gleich. Der Kandidat der Linken, Pre-
mierminister Jospin, schied im ersten
Wahlgang aus, schon das ein beispiel-
loser Vorgang. Doch dass ihn ausge-
rechnet Jean-Marie Le Pen geschlagen
hatte und damit nun ein Rechtsextre-
mer im zweiten Durchgang antrat ge-
gen den konservativen Amtsinhaber
Chirac , das hatten die meisten nicht
gewollt.
Eine Schande für Frankreich, dachte
eine übergroße Mehrheit, die nun auf
die Straßen ging, die protestierte, die
schließlich auch Chirac mit mehr als
80 Prozent in seine zweite Amtszeit
wählte. Doch ein Tabu war verletzt: Ein
notorischer Ausländerfeind, ein Dema-
goge vom rechten Rand hatte an die
Tür des Elysée-Palastes geklopft. Und
das hatte er, unter anderem, den Pro-
venzalen zu verdanken.
Stimmten landesweit im zweiten
Durchgang rund 18 Prozent für Le
Pen, so fuhr er im Süden vielerorts Er-
gebnisse von mehr als 25 Prozent ein.
Als besonders anfällig für die Parolen
des Front National erwies sich das De-
partement Gard - Beispiele: Im be-
schaulichen Vers-Pont-du-Gard stimm-
ten 27 % für Le Pen, im mittelalterli-
chen Castillon 28 %, in Remoulins di-
rekt beim berühmten Pont du Gard
29 %. Beaucaire, vor Jahrhunderten
Schauplatz von Messen mit Kaufleu-
ten aus aller Welt, besann sich auf das
schlichte Motto „Frankreich den Fran-
zosen“ - 39 %. St-Gilles, das Städt-
chen mit dem grandiosen romani-
schen Kirchenportal, war rekordver-
dächtig - 40 %, mehr als irgendwo
sonst in Frankreich.
Aber auch weite Teile des Vaucluse
wurden auf den Landkarten der Wahl-
forscher braun eingefärbt. Im ganzen
Departement erreichte Le Pen knapp
30 %. Eine Pariser Zeitung unternahm
gar eine Ortsbesichtigung unter dem
Titel „Vaucluse. Voyage à Lepenland“.
Überraschend war das alles nicht. Der
Front National ist im Süden traditionell
sehr stark. Das große Thema des
Wahlkampfs 2002, l'insécurité, die Un-
sicherheit, verfing hier besonders gut.
Ein diffuses Gefühl des Bedrohtseins
suchte sich seine Ursache und fand sie
in den Fremden, den Anderen, den Ar-
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