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fen, stachen drei hervor - und lösten
Entsetzen aus. Drei große Städte hat-
ten Angehörige des Front National an
die Spitze gewählt - alle drei Städte la-
gen in der Provence: Orange, Mari-
gnane, Toulon.
Überraschen konnte das eigentlich
nicht. Schon einmal war die Provence
vorangegangen, 1989, bei der vorheri-
gen Kommunalwahl. Da gelangte erst-
mals in Frankreich ein Rechtsradikaler
an die Spitze einer mittelgroßen Stadt
mit gut 15.000 Einwohnern - in St-
Gilles in der Provence. Kein pöbelnder
Prolet vom Schlage Le Pens, sondern
ein Adliger mit besten Kontakten, die-
ser Charles de Chambrun, ehemals
Gaullist, in den 1960er Jahren sogar
jüngster Minister des Kabinetts von
Charles de Gaulle. Sein Wahlprogramm:
30 Prozent Ausländer-Anteil, das sei
mehr, als St-Gilles vertragen könne.
Nun aber große Städte. Marignane,
sicher, eine Industriestadt am Etang de
Berre. Und Toulon, nun gut, Hafen-
stadt in wirtschaftlichen Schwierigkei-
ten, mit vielen Einwanderern. Aber
Orange? Ausgerechnet dieses Symbol
lateinischer Zivilisation, dieses Weg-
kreuz der Völker?
Der neue Bürgermeister Jacques
Bompard, ein Arzt, hatte sich vor-
nehmlich mit Büchern hervorgetan, in
denen er „Modernismus“ verteufelte
und eine neue „Ökologie“ forderte,
die eine „Verteidigung des Kulturellen,
Sprachlichen und Ethnischen“ zu leis-
ten habe. Das moderne Leben drohe,
„die besten Elemente der Rasse“ aus-
zulöschen. Dieser Mann also an der
Spitze der Kulturstadt Orange.
Das Aufsehen war gewaltig. Der Zu-
fall wollte es, dass kurz nach der Wahl
die weltberühmten „Chorégies“ von
Orange stattfanden, Festspiele in der
antiken Arena mit Künstlern aus allen
möglichen Ländern. Sofort hagelte es
Boykottaufrufe. Und viele Kulturschaf-
fende waren wenig geneigt, als Aus-
länder den Willkommens-Händedruck
eines rechtsradikalen Bürgermeisters
entgegenzunehmen. Rastatt, die deut-
sche Partnerstadt von Orange, legte
alle Kontakte auf Eis (Anfang 2008,
nahm sie sie wieder auf).
Nur in Orange selbst schien nie-
mand begreifen zu wollen, welches
Zeugnis man sich mit dieser Wahl aus-
gestellt hatte. Die Fernsehteams aus
Paris verwies man auf banlieu-artige
Viertel, in denen angeblich kriminelle,
arbeitsscheue Ausländer die Straßen
unsicher machten. In bald rührender,
bald erschreckender Naivität leugnete
man den Zusammenhang mit Kultur
und Tourismus.
Was bei der Wahl 1995 kaum je-
mand für möglich gehalten hätte, ist
eingetreten: Bompard wurde 2001
und auch 2008 mit jeweils rund 60 %
der Stimmen wiedergewählt und sitzt
nun fester denn je im Sattel. Sein Er-
folgsrezept: Dort Geld ausgeben, wo
es sich unmittelbar im Stadtbild nie-
derschlägt. Bei denen kürzen, die oh-
nehin keine Lobby haben. So wurden
in der Altstadt von Orange Straßen
neu gepflastert, gleichzeitig in den
Problemvierteln Zuschüsse für Sozia-
les zusammengestrichen. Mit dem Er-
gebnis, dass die Stadt da, wo viele hin-
sehen, sichtbar schöner geworden ist.
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