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in einem Dorf der Provence zurück-
geht; die Provence, mehr noch aber
der Luberon, zeigt sich im Ganzen als
ein Land, in dem das Mystische real
ist. Die heidnischen Elemente uralter
griechisch-römischer Zivilisation ver-
schmelzen mit christlichen, oft bibli-
schen Motiven. Nur hier konnte ein
Henri Bosco seinen Stoff finden, den
äußersten Bezugspunkt für jene philo-
sophisch-poetischen Erzählungen.
„Henri Bosco“, so schreibt die Litera-
turwissenschaftlerin B. Rambeck, „hat
sein poetisches Universum in Gegen-
reaktion auf eine total mechanisierte
und nivellierte Welt auf den großen
Leitideen des christlichen Denkens er-
richtet: auf Glaube, Liebe und Hoff-
nung“, oder, wie er selbst einmal sag-
te, „es ist schon wahr, dass ich meine
Zeit nicht sonderlich liebe. Aber es
muss schon jemanden geben, der
vom Paradies spricht, in der Hölle ...“
Eine unerhörte Anmaßung. Und
doch wurde aus Marcel Pagnol, dem
Dramatiker, dem späteren Mitglied der
Académie Française, dem Schriftsteller
der Provence, auch einer der erfolg-
reichsten Filmproduzenten Frankreichs.
Pagnol und das Kino - sie wurden
geboren zur selben Zeit und fast am
gleichen Ort. Von Aubagne, einem
Nest in den Bergen bei Marseille, wo
Pagnol am 28. Februar 1895 zur Welt
kam, sind es nur ein paar Kilometer bis
zu jenem Bahnhof in La Ciotat, wo die
Brüder Auguste und Louis Lumière we-
nig später die „Ankunft eines Zuges“
drehten.
So wenig die Erfinder des Cinemato-
graphen ihrer Entdeckung eine große
Zukunft voraussagten, so wenig reizte
den Theaterautor Pagnol der Film. Bis
zu jenem Frühlingstag im Jahre 1930,
als Pagnol in einem Londoner Licht-
spieltheater saß und hörte, „wie das
Bild von Fräulein Bessy Love sprach
und sprach“. Vier Mal sah er sich die
„Broadway Melody“ an, dann war sei-
ne „Theorie des Tonfilms“ geboren.
Mit der ganzen ihm eigenen Unbe-
kümmertheit verhieß Pagnol den Ein-
tritt ins Zeitalter des Tonfilms - und
setzte sich damit zwischen alle Stühle.
Nicht nur, dass die Theaterszene ihn
des Verrats zieh, ihn, den das Theater
zu einem geachteten Autor und zu ei-
nem reichen Mann gemacht hatte.
Empörter noch reagierte das Lager
des Films, des Stummfilms also: Die
europäischen Filmproduzenten, die
Schauspieler, die Kameraleute, sie sa-
hen im Tonfilm eine wirtschaftliche
wie künstlerische Bedrohung. Von
Marcel Pagnol
Sie nannten ihn „Ehre der Nation“.
„Held der Wissenschaft“. „Ruhmes-
blatt der Intelligenz“. Und dann setz-
ten sie ihn vor die Tür. Marcel Pagnol,
Anfang der 1930er Jahre einer der er-
folgreichsten Theaterautoren in Paris,
erntete nur Hohn und Spott, als er ei-
ne Lehre beim Kino antreten wollte.
Der Tonfilm war gerade erfunden, und
im Tonfilm liege, so hatte er den Her-
ren Produzenten erklärt, die Zukunft
der dramatischen Kunst überhaupt. Er
selbst, der gestandene Autor von „Ma-
rius“ und „Topaze“, werde als Regie
führender Drehbuchschreiber an die-
ser Zukunft teilnehmen.
 
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