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Henri Bosco wurde in Avignon im
Jahre 1888 geboren, und er wuchs auf
in der unmittelbaren Umgebung der
Stadt. Doch schon dem Kind Henri
Bosco bedeutete dieser flache, gleich-
förmige Landstrich nichts. Jenseits der
Durance aber, wo die gezackte Silhou-
ette der Alpilles in den Himmel ragte
und weit dahinter, bläulich schim-
mernd, das Gebirge des Luberon, da
lag versteckt das Land seiner Träume.
Ein, wie er es empfand, verbotenes
Land - und darum umso reizvoller.
Bis Henri Bosco es endgültig erober-
te, dieses geheimnisvolle Land am Ho-
rizont, sollte sehr viel Zeit vergehen.
1955 zog der Dichter nach Lourmarin
im Luberon - da war er 67 Jahre alt
und endlich ganz angekommen - an
seinem Ort, aber auch bei seiner Kunst.
Besucht hatte er den Luberon re-
gelmäßig, gelebt hatte er weit weg da-
von: Studium in Grenoble und Florenz,
Lehrer in Avignon, in Nordafrika, dann
im Ersten Weltkrieg Soldat im Orient,
danach Belgrad, wieder Florenz, Rom,
Neapel, schließlich Marokko.
Auch sein Weg zur Schriftstellerei
glich einer langen Suche, ausgehend
nur von einer Berufung, die er seit sei-
ner Kindheit spürte. Es kam der Krieg,
über den zu schreiben Bosco sich ver-
bat, es kam die Karriere als Lehrer -
und es fehlte der literarische Stoff. Er-
ste Versuche mündeten in einer prä-
tentiösen und allzu erhabenen Lyrik.
Beides, das rastlose Leben und die
Suche nach dem einen, dem ent-
scheidenden Bezugspunkt seines
Künstlertums, beides vollendet sich
erst mit dem Luberon - für Bosco eine
Landschaft, deren Mythos täglich neu
entsteht aus ihren Spannungen: bald
Garten Eden, bald wilde, unzugängli-
che Natur, heiter und zugleich melan-
cholisch, maßvoll und freundlich man-
cherorts, doch schroff und abgründig
anderswo.
So, wie in „L'Ane Culotte“, „Der Esel
mit der Samthose“. Ein Junge lebt in
einem Dorf, behütet von seinen Groß-
eltern. Bei seinen Streifzügen durch
die Natur ist ihm eine Grenze gesetzt,
hinter der er Geheimnisse, verborgene
Schönheit und Gefahr vermutet. Einzi-
ger Bote aus dieser Welt ist eben der
Esel mit der Hose, ein Fabeltier, oder
besser, ein Bindeglied zwischen der
Natur in ihrem Urzustand und dem
daraus vertriebenen Menschen. Er
führt den Jungen schließlich zu einem
verborgenen Garten Eden hoch oben
im Bergland, wo die Tiere, bewacht
von einer riesigen schwarzen Schlan-
ge, in Eintracht zusammenleben.
Schöpfer dieses Gartens ist ein alter
Mann, der allein die Beschwörungs-
formeln kennt, denen diese Welt ge-
horcht. Der Mann hat den Jungen
schon erwartet. Doch der bricht einen
blühenden Mandelzweig ab und be-
geht so unbewusst das Sakrileg, das
den Garten zerstört.
Man hat Bosco den Vorwurf ge-
macht, er beschreibe „Unwahres“, „Un-
wahrscheinliches“ oder „Unrealisti-
sches“. Dabei greift er nur jene My-
then und Geheimnisse auf, die gera-
de in der Provence noch durchaus
lebendig sind. Nicht nur, dass der be-
kleidete Esel mit sanftem, wissenden
Blick auf ein Kindheitserlebnis Boscos
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