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oder Sicherheit, an die Geschichte
eben. Die Stadt Vaison-la-Romaine et-
wa ist ein Musterbeispiel dafür. Zu-
nächst siedelten die Keltoliguren auf
dem Hügel, der ihnen Schutz gab und
Überwachung ermöglichte. Dann, in
der Sicherheit des römischen Landfrie-
dens, verlagerte sich die Siedlung hi-
nunter in die Ebene. Die vielfach ge-
fährdeten Menschen des Mittelalters
zogen zurück auf den Hügel, während
in der Neuzeit wieder die Bequemlich-
keit des Wohnens in der Ebene Vor-
rang hatte. Heute existieren in der en-
gen Oberstadt billige, unsanierte
Quartiere neben restaurierten Zweit-
wohnsitzen betuchter Städter.
Das Village Perché (zu Deutsch et-
wa: Dorf, das wie ein Vogel auf sei-
nem Nest sitzt) ist eine typisch mit-
telalterliche Siedlungsform vor allem
des Vaucluse und der Haute-Pro-
vence. Auf einer Bergspitze oder in
den Hang hinein angelegt, bietet die-
ser Standort zunächst einmal Schutz,
darüber hinaus auch felsigen, einfach
zu bebauenden Boden, der landwirt-
schaftlich ohnehin nicht nutzbar war.
Allerdings war es auch notwendig, tie-
fe Brunnen zu graben.
Typisch für das Village Perché ist es,
dass sich die Wände der außen an den
Hang grenzenden Häuser zu einer Art
Stadtmauer verbinden. Ab und zu
kommt ein befestigtes Schloss hinzu,
dies meist im Mittelpunkt des Dorfes.
Dort, an einer zentralen Straße, liegen
überhaupt die reichsten Gebäude,
während sich am Rand die beschei-
densten Häuser konzentrieren. Auffal-
lend ist die für eine kleine Siedlung
ganz ungewöhnliche Höhe der Häu-
ser mit oft zwei übereinanderliegen-
den Kellern und vier oder fünf Etagen
bei einer sehr bescheidenen Grund-
fläche. Im Erdgeschoss der ärmeren
Häuser waren oft Ställe untergebracht.
Während die meisten dieser Dörfer
ihren mittelalterlichen Standort auf ei-
nem Hügel behielten und damit auch
ihre recht abgelegene Situation, gli-
chen doch einige gerade diesen Nach-
teil ihrer Lage aus und gründeten eine
Dependance an der nächsten Land-
straße. Mitunter verfiel das eigent-
liche Dorf später zugunsten des Able-
gers. Extreme Beispiele finden sich am
Etang de Berre, wo große Industrieor-
te auf fast vergessene Felsdörfer zu-
rückgehen (etwa Miramas und Mira-
mas-le-Vieux).
Mit seinen hohen Fassaden und den
engen, oft ringförmig verlaufenden
Gassen, verbunden durch allerlei Trep-
pen und Passagen, mutet ein solches
Dorf fast städtisch an. Und in der Tat
ist die größte Eigentümlichkeit des
provenzalischen Dorfes nicht die La-
ge, sondern seine relative Urbanität,
ja das Verschwimmen der Grenzen
zur Stadt.
Schon die Einwohnerzahl, oft zwi-
schen 2000 und 6000, deutet darauf
hin, aber auch die wirtschaftliche
Struktur mit einem hohen Anteil von
Handwerkern und Händlern, schließ-
lich die soziale Struktur mit einem
tonangebenden Großbürgertum. Vie-
le Dörfer gliedern sich, der Stadt
gleich, in reichere und ärmere Viertel,
wobei sich im 19. Jh. die mittelalterli-
che Aufteilung vielfach umzukehren
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