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gentümlichkeit des Provence-Touris-
mus heraus: Die Menschen waren des
Urlauber-Daseins überdrüssig - und
sie begannen zu bleiben. Da traf es
sich gut, dass die Landflucht pitto-
reske, entvölkerte Bergdörfer zurück-
gelassen hatte, in denen nun allmäh-
lich Ateliers und Wohnungen entste-
hen konnten. Nicht jeder wollte gleich
das ganze Jahr bleiben. Und je besser
es den Europäern ging, etwa von den
1960er Jahren an, desto mehr kamen
sie darauf, sich einen Zweitwohnsitz in
der Provence zuzulegen. Die résiden-
ces sécondaires schossen wie Pilze aus
dem Boden.
Halbwegs war das noch eine Sache
von Eingeweihten. Doch mit der Dis-
kretion hatte es spätestens ein Ende,
als die Prominenten unter den Zweit-
wohnern immer zahlreicher auftraten.
Mitterand in Gordes, Jack Lang in Bon-
nieux, dazu eine ganze Armada von
Schauspielern, Modemachern, Journa-
listen. Man sah sie nicht, aber man
wusste: Sie sind da. Und das reichte.
Gleichwohl konnte die versammelte
Elite mit blauem Blut nicht konkurrie-
ren: Erst als Caroline von Monaco ein
Mas in St-Rémy mietete, galt die Pro-
vence auch im Massenbewusstsein als
très chic. Auch Caroline sah man nicht
oder kaum. Aber man sah die Papa-
razzi, die den königlichen Kindern vor
der Grundschule auflauerten und auf
dem Wochenmarkt herumlungerten,
und jedem war klar: Hier leben die,
von denen man sagt, dass sie zu leben
verstehen.
Auffallend unauffällig hat sich der
Tourismus ausgebreitet. Die üblichen,
aus aller Welt bekannten Exzesse sind
fast überall verhindert worden, meist
schon im Ansatz. Gleichwohl hat er
ein erhebliches Volumen angenom-
men und das auch im Bewusstsein der
Einheimischen. Wer die gebirgigen
Landstriche als ursprünglich erlebt, der
verkennt natürlich, dass immer noch
junge Familien aus den entlegenen
Dörfern fortziehen, weil ihre Arbeits-
plätze oder die Schulen zu weit ent-
fernt liegen. Ohne Touristen und ohne
Zweitwohner wären viele Gegenden
nicht ursprünglich, sondern schlicht
aufgegeben ...
Es wäre interessant zu erforschen,
welche Auswirkungen der sanfte, der
„authentische“ Tourismus à la proven-
çale langfristig hat. Auch er dürfte die
Mentalität beeinflussen. Denn in der
Übererfüllung der ureigenen Gebote,
in der Stilisierung der gewohnten Le-
bensweise ist natürlich auch eine Ver-
änderung angelegt.
Im Luberon allerdings ist wieder
Normalität eingekehrt. Von den Im-
mobilienpreisen lässt sich das zwar
nicht sagen, aber die waren auch vor-
her schon hoch. Besonders teuer
stand übrigens ein altes Steingehöft
oberhalb der Landstraße von Ménèr-
bes nach Bonnieux à la vente: Der Mas
eines gewissen Peter Mayle, jener Mas,
in dem er nach Auskunft gewisser
Klappentexte sein Leben zu verbrin-
gen unumstößlich entschlossen war.
Ja, die Touristen, entschuldigte sich
dafür der Autor, es seien halt zu viele
gekommen und sogar bis ins Wohn-
zimmer. Mayle entfloh dem von ihm
selbst ausgelösten Rummel, verzog
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