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Der Gott der mechanischen Natur
Heute dient die Maschinentheorie der Natur als Argument für den Materialismus, aber
den Vätern der modernen Naturwissenschaft bestätigte sie eher das christliche Weltbild,
als es zu untergraben.
Eine Maschine braucht jemanden, der sie ersinnt und baut. Robert Boyle war einer von
denen, die die mechanische Ordnung der Natur als Beweis für göttliche Planung ansa-
hen. [69] Und für Isaac Newton war Gott »in Mechanik und Geometrie sehr bewandert«. [70]
Gott muss umso weniger eingreifen, je besser die Weltmaschine funktioniert. Bis
zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts gelangte man zu dem Schluss, die kosmische
Maschine funktioniere auch ohne göttliche Intervention perfekt. Das war die Zeit, in der
viele Intellektuelle mit Sinn für Naturwissenschaft vom Christentum zum Deismus über-
gingen. Ein höchstes Wesen hatte die Weltmaschine entworfen, geschaffen und in Bewe-
gung gesetzt, um sie dann ihrem automatischen Lauf zu überlassen. Dieser Gott griff
nicht in die Dinge der Welt ein, und es war sinnlos, zu ihm zu beten. Eigentlich war jede
religiöse Praxis gegenstandslos. Für viele Philosophen der Aufklärung, Voltaire zum Beis-
piel, war Deismus gleichbedeutend mit der Ablehnung des Christentums.
Unter denen, die dem Christentum die Treue hielten, gab es einige, die mit den Deisten
die Ansichten der mechanistischen Naturwissenschaft teilten. Der berühmteste Vertreter
der mechanistischen Theologie war William Paley, ein anglikanischer Priester. In seinem
1802 veröffentlichten Buch Natural Theology ( Natürliche Theologie , 1837) gebrauchte
er das Beispiel eines Mannes, der eine Taschenuhr findet. Bei näherer Betrachtung des
Objekts würde er den sinnreichen Mechanismus und die Präzision der Arbeit erkennen
und zu diesem Schluss gelangen: »Es muss irgendwann und irgendwo einen oder mehr-
ere Kunsthandwerker gegeben haben, der oder die es für den Zweck machten, dem es
nach unserer Erkenntnis seiner Konstruktion und Anfertigung tatsächlich dient.« [71] Und
so müsse es auch mit »den Werken der Natur«, etwa dem Auge, sein. Gott war der Kon-
strukteur.
Anglikanische Geistliche verfassten im neunzehnten Jahrhundert viele naturkundliche
Bücher, und die meisten äußerten ähnliche Ansichten wie Paley. So veröffentlichte Rev-
erend Francis Morris 1853 ein reich bebildertes Buch mit dem Titel History of British
Butterflies , das sich großer Beliebtheit erfreute. Es war einerseits als Bestimmungsbuch
gedacht, sollte jedoch außerdem die Schönheit der Natur in Erinnerung rufen. Mor-
ris glaubte, dass Gott jedem Menschengeist eine »instinktive allgemeine Naturliebe«
eingepflanzt habe, die Jung und Alt die Möglichkeit gab, »sich an all dem Schönen zu
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