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Skepsis als Waffe
In der Forschung arbeitende Wissenschaftler, die um die Grenzen und Unwägbarkeiten
ihrer Arbeit wissen, behaupten selten, sie seien sich ihrer Sache ganz sicher. Außerdem
werden ihre Arbeiten regelmäßig dem Peer-Review unterworfen. Skepsis gehört zum
Wesen der Naturwissenschaft. Sie kann aber auch zu einer Waffe werden, die man gegen
seine Widersacher einsetzt. Die Kreationisten beispielsweise leugnen die Evolution und
setzen ihren kritischen Verstand ein, um Probleme der Evolutionstheorie hervorzuheben
und Schwachpunkte in der Beweislage herauszustreichen, beispielsweise Lücken in der
Kette der fossilen Zeugnisse. Tun sie das, weil sie auf Wahrheit aus sind? Nein. Sie
glauben ja, dass sie die Wahrheit bereits kennen. Skepsis dient hier dem Angriff auf
Andersdenkende und der Verteidigung des eigenen Standpunkts.
Diese Strategie wird schon lange von organisierten Skeptikern angewendet, um gegen
Psi-Forschung, Parapsychologie und alternative Medizin vorzugehen. Ihre Motive sind
in erster Linie ideologischer Natur, denn auch sie wiegen sich in dem Glauben, die
Wahrheit bereits zu kennen, nämlich dass Psi-Phänomene reine Einbildung sind und nur
mechanistische Medizin wirksame Medizin ist (siehe Kapitel 9 und 10).
Auch überall da, wo es um kommerzielle Interessen geht, wird Skepsis gern als Waffe
eingesetzt. 1964 veröffentlichte der Surgeon General der Vereinigten Staaten (Leiter des
Public Health Service) den Bericht Smoking and Health , der auf über siebentausend wis-
senschaftlichen Einzelstudien beruhte und keinen Zweifel daran ließ, dass das Rauchen
Lungenkrebs verursacht und eine erhöhte Anfälligkeit für Emphysem (durch die Zer-
störung von Lungengewebe), Bronchitis und Herzkrankheiten mit sich bringt. Die Taba-
kindustrie reagierte mit der Bildung des Council for Tobacco Research, das Forschung-
sprojekte in über einhundert Kliniken, Universitäten und Forschungslabors finanzierte.
In vielen dieser Studien wurde nach Komplikationen durch Nebenfaktoren geforscht, die
dem völlig eindeutigen Bild seine Schärfe und Klarheit nehmen würden. Ein leitender
Angestellter der Zigarettenfirma Brown and Williamson drückte das 1969 so aus: »Unser
Produkt ist der Zweifel, das beste Mittel, um gegen das ›Beweismaterial‹ anzukommen,
das in den Köpfen der Bevölkerung spukt.«
Bis zum Ende der siebziger Jahre war die Tabakindustrie der Vereinigten Staaten
in zahlreiche Prozesse verwickelt, in denen es um persönliche Schädigung durch das
Rauchen ging. 1979 sprach Colin Stokes, ein früherer Vorstand der R. J. Reynolds
Tobacco Company, vor einer Versammlung hochrangiger Mitarbeiter über den Stand
der Dinge. Die Angriffe gegen die Tabakindustrie, sagte er, beruhten auf Studien, die
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