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gerungen beruhen, anderen kompetenten Fachleuten nicht vorenthalten werden«. Sechs
Monate und vierhundert E-Mails später verfügten die Forscher in Amsterdam über
Datensätze von gerade einmal 29 Prozent der angeschriebenen Autoren. [580]
Eines der wenigen naturwissenschaftlichen Gebiete, die einer begrenzten Über-
wachung von außen unterliegen, ist das Zulassungsverfahren für neue Nahrungsmittel,
Medikamente und Pflanzenschutzmittel. In den Vereinigten Staaten werden jedes Jahr
Tausende von Untersuchungsdaten zur Überprüfung an die Food and Drug Administra-
tion ( FDA ) sowie die Environmental Protection Agency ( EPA ) eingesandt, und deren In-
spektoren decken immer wieder Datenverfälschungen auf. [581]
Schummeleien im nicht überwachten wissenschaftlichen »Hinterland« werden kaum
je durch den Peer-Review-Mechanismus oder Sachverständigengutachten oder unab-
hängige Reproduktion der Daten enttarnt. Wenn etwas auffliegt, dann durch Denunzi-
ation, die normalerweise von Kollegen oder Konkurrenten ausgeht und oft einen Hinter-
grund von persönlicher Verärgerung hat. Wenn so etwas passiert, besteht die offizielle
Reaktion häufig in nichts weiter als einem Bemühen, die Sache totzuschweigen. Wenn
die Betrugsvorwürfe dann trotzdem nicht wieder versiegen und die Indizien eine allzu
deutliche Sprache sprechen, wird schließlich ein Untersuchungsausschuss gebildet, der
irgendwen für schuldig befindet, den man dann mit Schimpf und Schande davonjagen
kann. [582]
Wahrscheinlich werden viele wissenschaftliche Betrugsfälle vertuscht. Die Kontrollbe-
hörden haben ein erhebliches Interesse daran, nicht nur ihre eigene Reputation, sondern
auch die der Wissenschaft insgesamt zu wahren. Daniel Dennett sieht in Überzeugungen
eigenständige soziale Kräfte, und aus seiner Sicht ist der Glaube an den Glauben von
großer Bedeutung für die Erhaltung gesellschaftlicher Institutionen. Manche Überzeu-
gungen muss man einfach zum Wohl des Gemeinwesens aufrechterhalten. Demokratie
beispielsweise benötigt den Fortbestand des Glaubens an die Demokratie. Und die Autor-
ität der Naturwissenschaft ruht auf dem Fortbestand des Glaubens an ebendiese Autor-
ität: »Da der Glaube an die Integrität wissenschaftlicher Verfahren fast genauso wichtig
ist wie diese Integrität selbst, besteht zwischen dem Denunzianten und den Kontrollin-
stanzen immer eine gewisse Spannung, selbst wenn ihnen bekannt ist, dass sie gefälscht-
en Forschungsresultaten ihr wissenschaftliches Plazet gegeben haben.« [583]
Einer der bekanntesten Fälle von Wissenschaftsbetrug im einundzwanzigsten Jahrhun-
dert dreht sich um Jan Hendrik Schön, einen jungen Forscher auf dem Gebiet der
Nanotechnologie, der in den berühmten Bell Laboratories in New Jersey arbeitete.
Er war nicht nur erstaunlich produktiv, sondern eilte, so schien es, von Erfolg zu
Erfolg. Immer wieder gelangen ihm bahnbrechende Entdeckungen, die ihm drei presti-
geträchtige Preise einbrachten. 2002 fiel jedoch einigen Physikern auf, dass in ver-
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