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Natürliche Widerstandsfähigkeit und
Selbstheilungskraft
Um ein beliebiges medizinisches System in seiner relativen Bedeutung zu sehen, müssen
wir bedenken, dass sich Tiere und Pflanzen nach Verletzungen regenerieren, dass sie
sich selbst heilen und Infektionen abwehren, seit es Leben auf der Erde gibt. Alle, die wir
heute leben, stammen von menschlichen und tierischen Vorfahren ab, die über Jahrhun-
dertmillionen vor dem Auftreten von Ärzten überlebt und sich vermehrt haben. Wir
wären alle nicht hier, hätten unsere Vorfahren nicht die Fähigkeit besessen, Krankheiten
abzuwehren und sich selbst zu heilen. Die Medizin vermag diese Fähigkeiten zu unter-
stützen und zu stärken, aber sie kann das nur auf einer Grundlage, die sich durch stetige
natürliche Auslese im Verlauf der Evolution herausgebildet hat.
Selbstheilung und Regeneration - es gibt kaum eine Lebensform, bei der wir diese
Kräfte nicht vorfinden. Wenn Pflanzen beschädigt oder von Krankheiten befallen werden,
versiegeln viele die verletzte Stelle und lassen neues Gewebe wachsen. Kleine Pflanzen-
teile, etwa einer Weidengerte, können zu vollständigen neuen Pflanzen heranwachsen.
Auch viele Tiere besitzen diese Fähigkeit in erstaunlichem Maße. Wenn man einen Plat-
twurm in kleine Stücke schneidet, kann aus jedem Abschnitt ein ganzer neuer Wurm
werden. Schneidet man einem Wassermolch ein Bein ab, sprießt ein neues; entfernt man
seine Augenlinse, bildet sich vom Rand der Iris aus eine neue. [481] Auch beim Menschen
bildet sich die Haut nach einer Verletzung neu, die Leber besitzt eine hohe Regenera-
tionsfähigkeit, Darmschleimhaut und Blutzellen werden ständig ersetzt (siehe Kapitel 5).
Auch ein Immunsystem mit seinen Abwehrreaktionen finden wir so gut wie überall vor.
Bakterien können gegen eindringende Viren mit Enzymen vorgehen, das Immunsystem
der Pflanzen erkennt schädliche Organismen und reagiert mit der Produktion von ab-
tötenden oder wachstumshemmenden Stoffen. [482] Bei wirbellosen Tieren wie den Insek-
ten attackiert das Immunsystem eindringende Organismen und tötet sie ab. Das Immun-
system der Wirbeltiere geht noch darüber hinaus und merkt sich bestimmte Krankheit-
serreger, um dann beim nächsten Befall einen noch stärkeren Gegenschlag führen zu
können.
Menschen wissen schon sehr lange, dass eine durchgestandene Krankheit Immunität
gegen diese Krankheit erzeugen kann. Thukydides war vielleicht der Erste, dem während
der Pest in Athen im Jahr 430 v. Chr. auffiel, dass Überlebende der Krankheit die Be-
fallenen versorgen konnten, ohne sich erneut anzustecken. [483] Von solchen Beobachtun-
gen ausgehend, haben Araber und Chinesen seit mindestens sechshundert Jahren ver-
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