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Hologramme und die implizite Ordnung
Bei einer berühmt gewordenen Serie von Gehirnoperationen an Patienten, die während
der Eingriffe bei Bewusstsein waren, testeten Wilder Penfield und seine Kollegen die
Wirkung leichter elektrischer Reize in verschiedenen Gehirnregionen. Berührten die
Elektroden Teile des motorischen Kortex, so stellten sich entsprechende Bewegungen
der Gliedmaßen ein. Reizung des primären Hör- oder Sehzentrums löste akustische
oder visuelle Halluzinationen aus wie Lichtblitze, summende Geräusche und Ähnliches.
Die Reizung des sekundären Sehzentrums führte zu visuellen Halluzinationen von Blu-
men, Tieren, vertrauten Menschen und so weiter. Wenn man bestimmte Stellen auf den
Schläfenlappen anregte, kamen manchen Patienten traumartige Erinnerungen, etwa an
ein Konzert oder Telefongespräch. [357]
Penfield nahm ursprünglich an, elektrisch abrufbare Erinnerungen müssten im
angeregten Gewebe gespeichert sein. Er sprach sogar vom »Gedächtniskortex«. Nach
weiterer Beschäftigung mit der Sache gelangte er zu einer anderen Deutung: »Das war
ein Irrtum … Die Aufzeichnung ist nicht im Kortex.« [358] Wie Lashley und Pribram gab
er die Idee der lokalisierten Erinnerungsspuren auf und gelangte zu der Auffassung, sie
seien stattdessen über weite Bereiche des Gehirns verteilt.
Eine besonders beliebte Analogie für verteilte Erinnerungsspeicherung ist das Holo-
gramm, eine Form der Fotografie, bei der die Gegenstände nicht von einem Objektiv,
sondern durch Überlagerungs- oder Interferenzmuster abgebildet werden, und zwar so,
dass das abgebildete Objekt dreidimensional erscheint. Das Besondere an einem Holo-
gramm: Zerteilt man es, zeigt ein Teilstück trotzdem das gesamte Bild, wenn auch in
weniger hoher Auflösung. Das Ganze ist in jedem Teil präsent. Das mag mysteriös klin-
gen, doch das Prinzip ist einfach und bekannt. Wenn Sie sich jetzt einmal umsehen, neh-
men Ihre Augen Licht von allen Teilen der sich gerade bietenden Szenerie auf. Das Licht,
das Ihre Augen absorbieren, ist nur ein sehr geringer Teil der gesamten Lichtmenge, und
doch können Sie die gesamte Szene sehen. Wenn Sie sich ein wenig von der Stelle bewe-
gen, sehen Sie immer noch alles, die gesamte Szene ist Ihnen weiterhin präsent, obgleich
Sie die Lichtwellen jetzt an einer anderen Stelle aufnehmen. In ähnlichem Sinne ist das
Ganze in jedem Teil des Hologramms präsent. Bei einem normalen Foto ist das nicht so:
Reißen Sie es in der Mitte durch, ist die eine Hälfte wirklich weg. Wenn Sie ein Holo-
gramm halbieren, kann das Gesamtbild aus jeder der Hälften wiederhergestellt werden.
Aber was, wenn die holographischen Wellenmuster gar nicht im Gehirn gespeichert
sind? Zu diesem Schluss kam Pribram später. Er sah das Gehirn eher als »Wellenform-
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