Biology Reference
In-Depth Information
mit diesem Lichtreiz vom Picken ab. Jetzt untersuchten die Forscher die Gehirne dieser
Küken und fanden, dass in einer bestimmten Region im linken Vorderhirn mehr aktives
Wachstum und Entwicklung stattfanden, wenn etwas gelernt wurde. [346]
Diese Befunde stimmten mit Untersuchungen an den wachsenden Gehirnen junger
Ratten, Katzen und Affen überein, bei denen deutlich wurde, dass sich aktive Nerven-
zellen des Gehirns stärker entwickeln als inaktive. Damit war jedoch nicht der Beweis
verbunden, dass die aktiven Zellen spezifische Erinnerungsspuren enthielten. Wurde
nämlich bei den Küken am Tag nach ihrem Training die Region der aktiven Zellen aus
dem linken Vorderhirn entfernt, konnten die Küken das Gelernte trotzdem weiterhin an-
wenden. Die am Lernprozess beteiligte Hirnregion war für das Bewahren der Lerninhalte
nicht erforderlich! Wieder einmal hatten sich die hypothetischen Erinnerungsspuren
nicht einfangen lassen, und erneut mussten die Forscher ein noch unentdecktes »Speich-
ersystem« irgendwo anders im Gehirn postulieren. [347]
Bei einer neueren Studie ging es um Mäuse und ihre Fähigkeit, sich in einem Labyrinth
zurechtzufinden. Bei der Bildung von Erinnerungen waren die mittleren Schläfenlappen
des Gehirns aktiv, insbesondere in der Region, die Hippocampus genannt wird. Das Ver-
mögen, Langzeiterinnerungen zu bilden, ist von der sogenannten Langzeitpotenzierung
abhängig, die wiederum an die Proteinsynthese in den Nervenzellen des Hippocampus
gekoppelt ist.
Doch auch hier konnte man der Erinnerungen selbst nicht habhaft werden. Wenn man
auf beiden Seiten den Hippocampus zerstört, bleiben ältere Erinnerungen trotzdem er-
halten. So ist man dann zu der Annahme gezwungen, dass die hypothetischen Erinnerun-
gsspuren von einem Teil des Gehirns in einen anderen umziehen.
Erik Kandel, der 2000 den Nobelpreis für seine Arbeit auf dem Gebiet der Erinner-
ungsspeicherung bei der Seeschneckenart Aplysia erhielt, fasste das Problem in seiner
Preisverleihungsrede so zusammen:
Wie wirken verschiedene Regionen des Hippocampus und der mittlere Schläfenlap-
pen … bei der Speicherung expliziter Erinnerungen zusammen? … Wir verstehen
unter anderem nicht, weshalb die anfängliche Erinnerungsspeicherung den Hippo-
campus benötigt, der dann aber nicht mehr gebraucht wird, wenn die Erinnerung
einmal für Wochen oder Monate gespeichert war. Welche entscheidende Information
stellt der Hippocampus der Großhirnrinde zur Verfügung? Wir wissen auch sehr
wenig über das Sich-Erinnern an explizite (deklarative) Gedächtnisinhalte … Für
diese Systemeigenschaften des Gehirns werden wir mehr brauchen als das in der
Molekularbiologie übliche Vorgehen von unten nach oben. [348]
Search WWH ::




Custom Search