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Danach zeigte Lashley auf, dass erlernte Gewohnheiten erhalten bleiben, wenn man
die assoziativen Zonen des Gehirns zerstört. Gewohnheiten bleiben sogar dann erhalten,
wenn man die Querverbindungen in der Großhirnrinde durch tiefe Einschnitte unter-
bricht. Auch die Entfernung subkortikaler Strukturen wie etwa des Kleinhirns - bei in-
takter Großhirnrinde - zerstört das Gedächtnis nicht.
Lashley begann als Befürworter der Reflextheorie des Lernens, doch seine Forschung-
sergebnisse zwangen ihn, sie aufzugeben:
Das Forschungsprogramm war ursprünglich darauf angelegt, die Bogen bedingter
Reflexe durch die gesamte Großhirnrinde zu verfolgen … Die experimentellen Be-
funde haben sich diesem Plan nicht gefügt. Sie sprachen vielmehr für den ganzheit-
lichen Charakter jeder Gewohnheit, für die Unmöglichkeit, das Lernen als Verkettung
von Reflexen aufzufassen: Die Funktionen des Gehirns werden nicht über genau
definierte Leitungsbahnen abgewickelt, sondern es sind große Massen von Ner-
vengewebe beteiligt. [342]
Lashley gelangte zu dieser Einschätzung:
Wird das Nervengeflecht einem Erregungsmuster ausgesetzt, so kann sich in ihm ein
Aktivitätsmuster bilden, das sich durch Erregungsausbreitung in einem ganzen Funk-
tionsgebiet vervielfältigt - etwa in der Art, wie sich an der Oberfläche einer
Flüssigkeit ein Interferenzmuster von Wellen bildet, wenn diese Oberfläche an mehr-
eren Punkten angeregt wird.
Folglich war das Erinnern für ihn »eine Art Resonanz zwischen sehr vielen Neuron-
en«. [343] Diese Gedanken wurden weiterverfolgt von seinem Schüler Karl Pribram, der
schließlich zu der Auffassung gelangte, dass Erinnerungen nach der Art des Interferen-
zmusters eines Hologramms gespeichert werden. [344]
Weitere Tierexperimente haben gezeigt, dass auch bei wirbellosen Tieren wie Polypen
keine spezifischen Erinnerungsspuren lokalisiert werden können. Es wurde untersucht,
wie weit erlernte Gewohnheiten nach der Zerstörung verschiedener Teile des Gehirns
erhalten bleiben, und dies führte zu einer scheinbar paradoxen Schlussfolgerung: »Das
Gedächtnis ist überall, aber nirgendwo im Besonderen.« [345]
Trotz dieser Resultate haben weitere Generationen von Forschern doch immer wieder
versucht, lokalisierte Gedächtnisinhalte zu finden. In den achtziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts glaubten Steven Rose und seine Kollegen, sie hätten endlich Spuren in den
Gehirnen von einen Tag alten Hühnerküken gefunden. Sie richteten die Küken durch ein-
en Übelkeitsreiz darauf ab, nicht an kleinen farbigen Lichtern zu picken, und tatsächlich
sahen die Küken (die ihrer Natur nach an allem picken) bei der nächsten Begegnung
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