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Logische und chemische Probleme
Etliche moderne Denker haben darauf hingewiesen, dass die Spurentheorie des Gedächt-
nisses auf unlösbare logische Probleme hinausläuft, ganz davon abgesehen, dass die
Suche nach Gedächtnisspuren immer wieder in Fehlschlägen endet.
Wenn eine Erinnerungsspur aufgerufen werden soll, muss es ein »Rückgewin-
nungssystem« geben, und dieses System muss die Erinnerung, die es sucht, auch
erkennen, das heißt wiedererkennen können, kurz, es muss selbst ein Gedächtnis
besitzen. Das windet sich schnell zu endlosen Schleifen: Wenn das Erinnerungssystem
selbst ein Gedächtnis besitzen muss, gehört zum Aufruf von dessen Inhalten wieder ein
Erinnerungssystem, das abermals selbst ein Gedächtnis besitzen muss - und immer so
weiter. [339]
Zusätzlich gibt es noch eine strukturelle Schwierigkeit. Erinnerungen können über
Jahrzehnte bestehen bleiben, doch das Nervensystem selbst ist dynamisch, es verändert
sich ständig, und das gilt auch für die Moleküle, aus denen es besteht. Francis Crick
hat das Problem so benannt: »Fast alle Moleküle in unserem Körper, ausgenommen ist
eigentlich nur die DNA , das genetische Material, werden innerhalb von Tagen, Wochen
oder höchstens Monaten ausgetauscht. Wie können Erinnerungen dann so im Gehirn
gespeichert werden, dass ihre Spuren einigermaßen immun gegen den stetigen moleku-
laren Umsatz sind?« Er brachte einen sehr verwickelten Mechanismus ins Gespräch,
nach dem die Moleküle eines nach dem anderen so ersetzt werden, dass der strukturelle
Gesamtzustand des Erinnerungsspeichers erhalten bleibt. [340] Nur ist noch kein solcher
Mechanismus gefunden worden.
Besonders beliebt ist seit Jahrzehnten die Theorie, Gedächtnis beruhe auf Veränder-
ungen an den Kontaktstellen zwischen Nervenzellen, den Synapsen. Aber der Versuch,
Erinnerungsspeicher zu orten, endet doch immer wieder in Misserfolgen.
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