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Werden Erinnerungen als materielle
Spuren gespeichert?
Ein Gedächtnis zu haben, das ist uns so vertraut wie das Atmen. Bei allem, was wir tun,
sehen und denken, spielen Gewohnheiten und Erinnerungen mit. Dass ich dieses Buch
schreiben kann und Sie es lesen können, setzt ein Gedächtnis für Wörter und ihre Bedeu-
tungen voraus. Wenn ich mit dem Fahrrad fahre, hängt mein Vermögen dazu von einem
unbewussten Gewohnheitsgedächtnis ab. Ich kann mir gelernte Fakten in Erinnerung
rufen, zum Beispiel 1066 als das Jahr der Schlacht von Hastings; ich kann Menschen
wiedererkennen, denen ich vor Jahren begegnet bin; ich erinnere mich an bestimmte Er-
lebnisse während meines Kanadaurlaubs letzten Sommer. Das sind Erinnerungen unter-
schiedlicher Art, aber an allen sind Einflüsse aus der Vergangenheit beteiligt, die sich für
mich in der Gegenwart auswirken. Bei allem, was wir erleben, spielen Erinnerungen mit.
Und zweifellos haben auch Tiere ein Gedächtnis.
Wie funktioniert das Gedächtnis? Die meisten Menschen gehen schlicht davon aus,
dass Erinnerungen irgendwie als materielle Spuren im Gehirn gespeichert sein müssen.
Im alten Griechenland dachte man sich diese Spuren als so etwas wie Abdrücke in
Wachs. Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts glaubte man, Erinnerungen seien so etwas
wie die Drahtverbindungen in Telefonschaltzentralen. Heute glauben wir, dass unser
Gedächtnis ungefähr so funktioniert wie die Datenspeicherungssysteme in Computern.
Die Metaphern ändern sich, aber die Spurentheorie bleibt und wird von den meisten Wis-
senschaftlern und Laien geteilt.
Nach materialistischer Auffassung müssen Erinnerungen zwangsläufig als Spuren
im Gehirn gespeichert sein. Wo sollten sie sich sonst befinden? Hier der Neurowis-
senschaftler Steven Rose zur landläufigen Sicht der Dinge:
Erinnerungen sind irgendwie »im« Geist und folglich für einen Biologen »im« Gehirn.
Aber wie? Zum Gedächtnis müssen mindestens zwei verschiedene Vorgänge gehören,
nämlich zum einen, dass wir etwas über unsere Umwelt lernen, und zum anderen,
dass wir es uns später wieder in Erinnerung rufen können. Daraus schließen wir,
dass zwischen der Erfahrung und dem Erinnern etwas dauerhaft niedergelegt sein
muss, das heißt eine Erinnerungsspur im Gehirn. [336]
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