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Und ausgerechnet diese Rivalität zwischen dem öffentlichen und dem privaten Genom-
projekt ließ die Blase platzen, bevor die Sequenzierung des menschlichen Genoms
abgeschlossen war. Im März 2000 gab Francis Collins, der Leiter des offiziellen Human-
genomprojekts, öffentlich bekannt, alle Forschungsergebnisse würden jedermann zur
Verfügung stehen. Das veranlasste den damaligen Präsidenten Bill Clinton, am 14. März
2000 folgende Erklärung abzugeben: »Unser Genom, das Buch, in dem alles mensch-
liche Leben niedergeschrieben ist, gehört allen Menschen … Sorgen wir dafür, dass der
Gewinn der Humangenomforschung nicht in Dollar, sondern in spürbarer Verbesserung
des Lebens gemessen wird.« [291] In der Presse hieß es gleich darauf, der Präsident plane
eine Beschränkung der Vergabe von Patenten auf Ergebnisse der Genomforschung. Die
Börse reagierte prompt und katastrophal. Es kam zu einem Absturz, bei dem einem,
wie Venter es ausdrückte, »nur schlecht werden« konnte. Innerhalb von nur zwei Tagen
verzeichnete Celera einen Wertverlust seiner Papiere von sechs Milliarden Dollar, und
der gesamte biotechnische Aktienmarkt brach um 500 Milliarden Dollar ein. [292]
Gleich am nächsten Tag beeilte sich Präsident Clinton zu versichern, er habe mit
seiner Aussage nicht einer Entscheidung über die Patentierbarkeit von Genen oder bio-
technischen Verfahren vorgreifen wollen. Aber es war schon nichts mehr zu retten. Die
Börsenkurse erholten sich nicht mehr. Es wurden später tatsächlich zahlreiche mensch-
liche Gene patentiert, aber nur sehr wenige erwiesen sich für die Inhaber der Patente als
profitabel. [293]
Am 26. Juni 2000 kündigten Präsident Clinton, Premierminister Tony Blair, Craig
Venter und Francis Collins die Veröffentlichung eines ersten Überblicks über das
menschliche Genom an. Bei der Pressekonferenz im Weißen Haus sagte Clinton: »Wir
kommen heute hier zusammen, um die Skizze eines ersten Gesamtbilds des mensch-
lichen Genoms zu feiern. Es handelt sich ohne Zweifel um die wichtigste und erstaun-
lichste ›Landkarte‹, die je von Menschenhand erstellt wurde. Sie wird sich als Revolution
für die Diagnostik und Behandlung oder auch die Verhinderung der meisten, wenn nicht
aller Krankheiten der Menschheit erweisen … Die Menschheit ist im Begriff, sich un-
ermessliche neue Heilkräfte zu erschließen.« Der britische Wissenschaftsminister Lord
Sainsbury sagte: »Wer besitzen jetzt die Möglichkeit, in der Medizin all das zu erreichen,
was wir nur je erhofft haben.« [294] Einer der Redakteure der Zeitschrift Nature verkün-
dete, bis zum Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts werde »die Genomik mit ihren
Erkenntnissen uns erlauben, ganze Organismen je nach Bedarf und Geschmack zu ver-
ändern … und auch dem menschlichen Körper jede nur vorstellbare Gestalt zu geben.
Wir können zusätzliche Gliedmaßen haben, wenn wir möchten, vielleicht sogar Flügel,
mit denen wir fliegen können.« [295]
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