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Das uneingelöste Versprechen der Molekularbiologie
Erinnern Sie sich an die Begeisterung und Aufbruchsstimmung der achtziger Jahre,
als neue Techniken erfunden wurden, mit denen man Gene klonen und Sequenzen von
»Buchstaben« ihrer genetischen Codes ermitteln konnte? Es sah wie der große krön-
ende Augenblick der Biologie aus: Die genetischen Anweisungen für den Bau des Lebens
selbst wurden endlich aufgedeckt, und es schien sich die Möglichkeit zu eröffnen, Pflan-
zen und Tiere genetisch zu verändern und neue Quellen ungeahnten Reichtums zu er-
schließen. Beinahe Woche für Woche verkündeten die Schlagzeilen einen neuen Durch-
bruch: »Wissenschaftler finden das Gen gegen den Krebs«, »Gentherapie Hoffnung bei
Arthritis?«, »Wissenschaftler entdecken das Geheimnis des Alterns« und so weiter.
Die neue Genetik wirkte so vielversprechend, dass bald die gesamte biologische
Forschung eifrig mit der Anwendung der Gentechnik auf das jeweilige Spezialgebiet
begann. Es wurden bedeutende Fortschritte erzielt, die zu ehrgeizigen Visionen Anlass
gaben, nämlich die vollständige Besetzung des menschlichen Genoms zu entziffern. Wal-
ter Gilbert von der Harvard University fand dafür diese Worte: »Die Suche nach dem Gral
unseres Menschseins tritt nun in ihre Endphase ein. Letztes Ziel ist die Erfassung aller
Details unseres Genoms.« Offiziell wurde das Humangenomprojekt 1990 gestartet - mit
einem anvisierten Etat von drei Milliarden Dollar.
Das Humangenomprojekt war gezielt darauf angelegt, die Segnungen der »Big
Science« endlich auch der Biologie zukommen zu lassen, die bis dahin immer etwas von
einem Heimwerkerbetrieb gehabt hatte. Die Physiker waren an riesige Etats gewöhnt,
was zum Teil Folge des Kalten Kriegs war: Raketen, Wasserstoffbomben, Star Wars,
Teilchenbeschleuniger und Raumprogramme einschließlich des Weltraumteleskops
Hubble verschlangen Unsummen. Ehrgeizige Biologen quälten sich mit Physikerneid. Sie
träumten von einer Biologie mit ähnlichem Profil und hohem Ansehen und Milliardenet-
ats. Das Humangenomprojekt war ein sehr aussichtsreicher Kandidat.
Marktspekulationen großen Umfangs lösten in den neunziger Jahren einen Technolo-
gieboom aus, der 2000 einen Höhepunkt erreichte. Neben dem offiziellen Humangenom-
projekt initiierte die Firma Celera Genomics ihr eigenes Genomprojekt, das von Craig
Venter geleitet wurde. Man hatte vor, sich Hunderte menschlicher Gene patentieren zu
lassen, um in den Besitz aller damit verbundenen kommerziellen Rechte zu kommen.
Der Marktwert von Celera Genomics kletterte, wie bei vielen anderen Biotechnologieun-
ternehmen, in den ersten Monaten des Jahres 2000 auf schwindelerregende Höhen.
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