Biology Reference
In-Depth Information
Wespe auf Beschädigungen des Trichters reagiert, an dem sie gerade baut. Zahlreiche
Versuche wurden in freier Wildbahn mit diesen Wespen durchgeführt. Zunächst brach
man fast fertige Trichter ganz oder teilweise ab, während die Wespe gerade frischen
Lehm holte. Wie viel von einem Trichter auch fehlen mochte, die Wespe setzte sofort
ihre Arbeit fort und baute ihn wieder auf: Er wurde regeneriert. Brach man ihn erneut
ab, so wurde er abermals wiederaufgebaut. In einem Fall geschah dies siebenmal, und
die Wespe zeigte keinerlei Erlahmen ihrer Entschlossenheit, das Bauwerk fertigzustel-
len. [260]
Dann stahlen die Forscher fast fertige Trichter von einigen Nestern und transplantier-
ten sie auf andere Niströhren, bei denen der Trichterbau gerade begonnen wurde. Wenn
die Wespen mit ihren Lehmkugeln zurückkamen, untersuchten sie nur kurz die plötzlich
dastehenden Fertigtrichter und bauten sie dann zu Ende, als wären es ihre eigenen.
Als Nächstes häuften die Wissenschaftler Sand um Trichter auf, bei denen gerade der
aufragende Teil der Röhre in Arbeit war. Dieser Teil ist normalerweise etwa zweiein-
halb Zentimeter lang, bevor die Wespe die Krümmung ansetzt, an der die Trichterglocke
hängen soll. Wenn diese Höhe fast erreicht war, wurde der Röhrenstumpf »versenkt«,
bis nur noch drei Millimeter aus dem Sand herausragten. Die Wespe baute dann weiter
daran, bis er wieder eine Länge von zweieinhalb Zentimetern über dem Boden erreicht
hatte.
Schließlich wurden in verschiedenen Baustadien Löcher in den Trichter gebrochen.
Wenn dies in einem frühen Stadium geschah, entdeckten die Wespen den Schaden sofort
und reparierten ihn mit Lehmstreifen.
Zu einer besonders interessanten Reaktion kam es, als man an dem fertiggestellten
Trichter an der Oberseite des gekrümmten Röhrenteils ein kreisrundes Loch brach - ein
Schaden, der vermutlich unter natürlichen Umständen kaum je vorkommt. Die Wespe
bemerkte das Loch nach ihrer Rückkehr bald, untersuchte es sorgfältig von innen und
außen, konnte es jedoch nicht wie gewohnt von innen her reparieren, weil sie an dieser
Stelle keinen Halt fand. Nach einer gewissen Zeit der Unschlüssigkeit fing die Wespe an,
von außen her neuen Lehm aufzutragen. Dies entsprach der Situation beim Beginn des
Trichterbaus über dem runden Eingang der Niströhre, oder anders gesagt: Das runde
Loch im Trichterhals wirkte als Zeichenreiz für »Trichterbau«, und so entstand an dieser
Stelle ein kompletter neuer Trichter (Abbildung 5B).
Zielorientierung ermöglicht es den Tieren, ihr Verhaltensziel auch bei unerwarteten
Störungen zu erreichen - genauso wie Embryonen Beschädigungen durch Regulation
ausgleichen können oder wie Pflanzen und Tiere verlorene Teile durch Regeneration er-
setzen können.
Search WWH ::




Custom Search