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Geistige Materie
Galen Strawson teilt die Unzufriedenheit vieler anderer Philosophen unserer Zeit mit
den hartnäckigen Problemen des Materialismus und Dualismus. Er ist zu dem Schluss
gelangt, dass es nur einen Ausweg gibt. Ein konsequenter Materialismus ist nach seiner
Auffassung gezwungen, einen Panpsychismus anzunehmen und sogar Atomen und
Molekülen eine Art primitive Geistigkeit oder Erfahrung zuzusprechen. (Der Begriff setzt
sich aus griechisch pan , »überall« und psyche , »Geist« oder »Seele«, zusammen.)
Damit ist nicht gesagt, dass Atome bewusst wären wie wir, aber es bedeutet, dass
selbst in diesen einfachsten physikalischen Systemen irgendein Element von Geist oder
Erfahrung gegenwärtig sein muss. Je komplexer die Systeme werden, desto komplexer
kann auch die Geistigkeit oder Erfahrung sein. [224]
2006 erschien eine Sondernummer des Journal of Consciousness Studies zu der Frage,
ob Materialismus zwangsläufig auch Panpsychismus bedeutet. Der Hauptartikel stammte
von Strawson, und siebzehn andere Philosophen und Wissenschaftler schrieben Erwider-
ungen. Einige sprachen sich gegen seine Anregungen aus und befürworteten einen eher
konventionellen Materialismus. Alle gaben jedoch zu, dass der von ihnen vertretene Ma-
terialismus mit Problemen behaftet sei.
Strawson sprach sich in seinem Artikel nur sehr allgemein und abstrakt für die Idee
des Panpsychismus aus und ging leider nicht näher auf die Frage ein, inwiefern man
bei einem Elektron oder Atom von Erfahrung sprechen kann. Immerhin traf er jedoch
wie viele andere Panpsychisten die sehr wichtige Unterscheidung zwischen bloßen Ag-
gregaten von Materie, etwa in Tischen oder Steinen, und selbstorganisierenden Syste-
men wie Atomen, Zellen und Tieren. Er sagte nicht, Tische und Steine besäßen als
solche eine Erfahrung, aber bei ihren Atomen könne das der Fall sein. [225] Der Grund für
diese Unterscheidung liegt darin, dass vom Menschen hergestellte Dinge wie Stühle oder
Autos sich nicht selbst organisieren und keine eigene Zweckbestimmung oder Zielset-
zung haben. Sie werden von Menschen entworfen und in Fabriken hergestellt. Ähnlich
bestehen Steine zwar aus selbstorganisierenden Atomen und Kristallen, aber die ges-
amte Form eines Steins ist von äußeren Kräften bestimmt. Er kann beispielsweise von
einem Felsen abgesprengt worden sein, als ein großer Felsbrocken zu Tal rollte.
In selbstorganisierenden Systemen andererseits bilden sich komplexere Formen der
Erfahrung spontan. In Strawsons Worten: »Es war einmal relativ ungeordnete Materie,
zu deren Grundzügen Erfahrung, aber auch erfahrungslose Anteile gehörten. Sie ordnete
sich über verschiedenartige Abläufe, darunter Evolution durch natürliche Auslese, zu im-
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