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- »Bestellung abgeschlossen, bitten warten Sie!« - »Gesottener Trockenfisch ist heute ausverkauft, bitte
wählen Sie ein anderes Bestellgut!«
Bei dem ganzen elektrischen Geplärre gucken selbst die technikverliebtesten Japaner genervt.
Dochselbst wostatt Menschen schonAutomaten stehen, hilfteinem meist nochuniformiertes Personal bei
der Bedienung. Es ist leider wahr, die Japaner werden durch den ständigen guten Service unselbständig.
Als ich in Fukui das erste Mal mit einem Auto an einer japanischen Tankstelle anhielt, wollte ich erst aus-
steigen, doch dann fielen mir die japanischen Sitten ein. Wie in »Die Drei von der Tankstelle« mit Heinz
Rühmann nahmen mir uniformierte Jungs alles ab. Sie putzten auch die Scheibe und sahen das Öl nach.
Vor allem aber: Sie lotsten mich mit großen Gesten wieder von der Tankstelle herunter und fädelten mich
in den Verkehr ein. Ein Blick in den Rückspiegel. Da standen die drei und verbeugen sich mit dem Käppi
vor dem Bauch. Ein Wohlgefühl. Aber so lernt halt kein Japaner, wie man mit einer Zapfsäule umgeht.
An jeder Baustelle stehen Rentner in Fantasieuniformen mit Leuchtstäben und passen auf, dass Ba-
ufahrzeuge, Autos und Fußgänger gut aneinander vorbeikommen. In der Nähe meiner Wohnung entstand
während zwei Monaten ein neues Apartmenthaus. Jedes Mal, wenn ein Lastwagen vom Baugrund her-
unterfuhr, sperrten fünf uniformierte Aufpasser den Bürgersteig ab. Das Spektakel ging los, indem sie die
FußgängerinSichtweitezumStehenbleibenauffordertenundsichihnenschließlichbreitbeinigindenWeg
stellten. Der fünfte Mann winkte mit einem Leuchtstab den Laster auf die Straße. Das Auto piepste vor
seiner Rückwärtsbewegung zur Warnung. Dann gab die Truppe den Bürgersteig mit großer Geste, Verbeu-
gungen, Entschuldigungen und Danksagungen wieder frei.
InDeutschlanddagegenmussichumBaustellenherumnavigierenundmeineEinkäufeselbstindieTüte
packen. Muss mich gegenüber Putzfrauen durchsetzen, die mich nicht durchlassen wollen, weil gerade
gewischt wurde. Was passiert mit Leuten, frage ich mich, die richtig lange in Japan bleiben? Werden die
so unselbständig wie die Japaner und kommen ohne die Luftpolsterfolie des japanischen Alltags gar nicht
mehr aus?
InTokio ging ich auch manchmal zur Ohrputzerin. Daher wusste ich, dass mein Gehörgang am Rande rosa
schimmerte und in der Mitte öfter braun verklumpte. Kanno-san, die Ohrpflegerin, zeigte mir das Innere
meines Ohres auf einem Panoramabildschirm vor mir an der Wand. »Ach je, hier ist es etwas verhärtet«,
sagte sie und kratzte in meinem Gehörgang herum. Die junge Frau setzte sich für die Behandlung mit
MundschutzundweißemKittelnebenmichaufeinenHocker.IchstarrteaufeinenFlachbildschirmvormir
und sah eine Liveübertragung aus meinem Hörorgan. Kanno-sans Schabelöffelchen trug eine medizinische
Minikamera an der Spitze.
Eine so sanfte Gehörgangreinigung, das kann nicht jeder.
Der Ohrensalon von Kanno-san lief ausgesprochen gut. Dazu trug auch die Lage zwischen einem
Wolkenkratzerviertel und einer bunten Geschäftsgegend mit Restaurants, Elektroläden und Animierbars
bei.UntenanderStraßewieseingrünesSchildmiteinemstilisiertenOhraufdasGeschäfthin.Einerostige
Wendeltreppe führte zu »Ohren-Sauber« hinauf, vorbei an »Dr. Foot« im ersten Stock, dessen Werbebilder
mehr als eine gewöhnliche Fußmassage versprachen. Zu manchen Tageszeiten mussten die Kunden bei
»Ohren-Sauber« eine Stunde warten, bevor sie an die Reihe kamen. Der Vorraum mit Platz für sechs War-
tendeberuhigtedurchsanftesGrün,ausdenLautsprechernkamromantischeDisney-Filmmusik.AlsNeuk-
unde hatte ich beim ersten Besuch ein Formular ausfüllen müssen: Ohrenkrankheiten? Häufigkeit der Ohr-
reinigung? Ohrtyp? Mit einer Shiatsu-Massage zusammen dauert der Service 20 Minuten und kostet 14
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