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Als das Dokument da war, warf sie kaum einen Blick auf den Handybildschirm. »Willkommen«, sagte
sie nurundlegte die Karte aufdasLedertablett zudenanderen. Ein zweites Mädchen mit Headset erschien
und führte mich zum Schuhgeschäft. »Wissen Sie, wir müssen es mit der Sicherheit sehr genau nehmen.«
Auch in Kaufhäusern beweisen Verkäuferinnen gerne ihre Geduld. Bei Isetan in Shinjuku kaufte ich als
Geschenk eine Flasche edlen Sake mit Goldstaub darin. Der schmale Gang mit den teureren Sorten war
so vollgestopft mit Menschen wie die U-Bahn zur Stoßzeit. Da Hunderte verschiedener Flaschen Sake
auf den Regalen aus kostbarem Holz aufgereiht waren, wandte ich mich für eine Empfehlung an eine der
Verkäuferinnen in gestärkter Bluse, dunkelblauer Schürze und Haube. Sie fragte, ob der Sake eher trock-
en sein soll (Ja!) und ob ich eine bestimmt Region bevorzuge (Nein!) und griff dann die Flasche mit dem
Goldflitter heraus. Anstatt sie mir einfach zu geben, sagte sie »hier entlang« und bahnte uns mit vielen
Entschuldigungen einen Weg durch die Menge Richtung Kasse. In der Schlange stand sie eine Ewigkeit
mitmirzusammen an.NiemandkauftbeiIsetanetwasfürsichselbst.DenAufpreisfürdasteureKaufhaus
zahlen die Japaner nur, um den Empfänger mit dem Verpackungspapier zu beeindrucken. Das Wichtigste
war also der Aufkleber mit dem Logo. Das bedeutete, dass sich so gut wie alle Kunden ihren Einkauf ver-
packen ließen, was wiederum Zeit brauchte, obwohl hinter der Kasse sieben Leute geschäftig werkelten:
Papier schneiden, Schutzhüllen um die Flaschen einpassen und Kartons auffalten. Die Verkäuferin wartete
zusammen mit mir bestimmt eine gute Viertelstunde und hielt solange grazil die Sakeflasche hoch. Als wir
drankamen, übergabsiemeinen Fall andieKollegin anderKasse,verbeugte sichvormirundsagte: »Bitte
entschuldigen Sie, dass ich Sie so lange habe warten lassen.«
MitderServicekulturgehtesdennochlangsambergab.SchonseitJahrenmüssendieAutofahreraneinigen
Tankstellen selber tanken. Auch preiswerte Restaurantketten versuchen es mit Technik statt Personal.
Beim Fließband-Sushi kommt der heiße Tee aus Wasserhähnen an jedem Platz. Zur Abrechnung hält die
BedienungnureineAntenneandenmehrfarbigenTellerstapel.JederTellerenthälteinenFunkchipmitPre-
iskennung. Ohne jedes Eingeben und Rumrechnen spuckt das Handterminal den Preis aus.
Berührungsempfindliche Flachbildschirme wie in der Izakaya-Kette Tôhô Kenbunroku wirken da schon
altmodisch. In einer Filiale von »Meeresfrüchte Sakura« ist die Speisekarte von elektrischen Schaltkreisen
durchzogen. Ander Karte hängt soetwas wie ein fetter Stift mit Lautsprecher.Die Gäste müssen zum Bes-
tellen mit der elektronischen Spitze des Stifts über die gewünschte Speise fahren. Sendechips im Papier
der Speisekarte sagen dem Stift, worauf der Kunde gezeigt hat. Der kleine Computer sendet die Daten
danndrahtlosindieKüche.»SalatmitTofu!«,plärrtderStiftzurBestätigung,oder»FrittiertesHuhn!Bitte
geben Sie die Anzahl ein!« Im unteren Teil jeder Seite befindet sich ein Feld für die Bestätigung der Bes-
tellung. »Bestätigen Sie Ihre Eingabe!«, krakeelt der Stift - »Geben Sie weiteres Bestellgut ein oder wäh-
len Sie Bestellung!« Die koreanischen und chinesischen Kellnerinnen dieser Kette waren im Gegensatz zu
diesen Karten nicht so bürokratisch, und vor allem nervten sie weniger.
Damit die Kunden ihren Bestellstift im bierseligen Lärm der Izakaya hören können, ist der kleine Laut-
sprecher voll aufgedreht. Die Frauenstimme klingt daher unangenehm hoch und scheppert etwas. Zugleich
ist sie so durchdringend, dass auch die Bestellungen der umliegenden Tische zu hören sind. »Hühner-
spießchen!GebenSiejetztdieAnzahl…«-»…weiteresBestellguteinoderwählenSie…«-»Bier,fünf!«
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