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Das Gleiche kriegt der Kunde in Japan auch gesagt, aber es klingt anders. »Der werte Kunde suchen je-
manden, der Ihm mit Videokameras weiterhilft? Ich gehöre hier zu den Mobiltelefonen, aber bitte warten
Sie einen Moment!«
Die Angestellten der Firma, die in meinem Mietshaus in Tokio die Treppen und Gänge sauber macht,
entschuldigen sich schon während ihrer normalen Arbeit pausenlos. Manchmal stellte ich sie schwer auf
dieProbe,abersiebliebensanftundheiter.AlsicheinmalausdemAufzugtratundeinjungerManngerade
die Fläche bis zu den Wohnungstüren wischte, verbeugte der sich erst mal. »Es gibt keine Entschuldigung
für den nassen Fußboden, aber gehen Sie ruhig drüber!« Durch den Türspion sah ich von drinnen, dass
er meine Fußstapfen nachwischte. Wenig später ging ich wieder raus, weil ich eigentlich nur meine Un-
terlagen fürs nächste Gespräch geholt hatte. Wieder verbeugte er sich mehrfach, als ich über den feuchten
Fußboden stapfte. Unten stellte ich fest, dass es angefangen hatte zu regnen und ich noch einen Schirm
holen musste. Bei meinem vierten Gang über seinen Fußboden, als ich also erneut zum Fahrstuhl ging,
sagte er: »Heute stehe ich Ihnen aber wirklich oft im Weg. Das tut mir aufrichtig leid!«
Japaner können auch ungeheuer geduldig dastehen und einfach nur etwas für einen halten. Ziemlich oft
ließ ich junge Frauen mit meiner Visitenkarte in der Hand darauf warten, dass ich etwas aus meiner Tasche
gekramt hatte. Einen Rekord mit einer regungslosen Haltezeit von gut zehn Minuten schaffte eine Emp-
fangsdame im noblen Geschäftsgebäude »Ao«in Aoyama. Das Building hatte offiziell noch nicht eröffnet,
ich war auf dem Weg zur Einweihung eines deutschen Schuhgeschäfts. Die Pressemitteilung hatte ich am
gleichen Tag per E-Mail bekommen und nur auf dem Handy gesehen. »Zeigen Sie bitte Ihre Einladung«,
sagte die Frau im blauen Kostüm am provisorischen Empfang hinter einem Seiteneingang. »Ich bin Mayer
von der Deutschen Wirtschaftszeitung, ich möchte zur Eröffnung der Filiale des deutschen Schuhgeschäfts
Bär«, sagte ich und reichte ihr meine Karte.
Sie nahm die Karte und hielt sie ehrfürchtig zwischen beiden Händen. »Es gibt keine ausreichende
Entschuldigung, aber ohne Einladung muss ich Sie leider zurückweisen«, sagte sie.
»Die Einladung steckt in meinem Handy«, sagte ich. »Reicht es Ihnen, wenn ich sie auf dem Display
zeige?«
»Das dürfte reichen.«
NunhattemeinHandydieMailnichtkomplett heruntergeladen-ichbrauchteeineVerbindungzummo-
bilen Internet, um die Einladung vorzuzeigen. Und gerade heute rührte sich nichts. Ich sah längere Zeit
einerSanduhrzu.»EinenMomentnoch«,vertrösteteichsie,riefdieNetzeinstellungenaufundändertehier
und da etwas am Internetzugang. Versuchte es wieder, aber beim Login blieb ich erneut stecken.
Die ganze Zeit stand die Empfangsfrau im blauen Kostüm mit meiner Visitenkarte zwischen beiden
Händern da und guckte neutral.
Die Internetverbindung brach ganz ab, ich fuhr das Handy herunter und startete es neu. Bei Windows
Mobile dauert das sehr, sehr lange. Heute ging es besonders zäh voran. Sie hielt meine Karte. Ihre Kol-
leginnen kümmerten sich derweil um andere Besucher. Alle anderen hatten ausgedruckte Einladungen
dabei.
Die Mails gingen auf, ich fand die Einladung und öffnete das PDF. 350 Kilobyte. Das Herunterladen
startete. 30 Kilobyte, 55 Kilobyte. Bei 280 setzte es wieder aus. »Einen kleinen Moment bitte noch«, sagte
ich und startete den Download neu.
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