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Richter außer Dienst Norimichi Kumamoto bereut. Er ist heute 70 Jahre alt. Schon 1968 gab er seine
Karriere auf - nur wenige Monate nachdem er in einem Mordprozess dem vorsitzenden Richter zugestim-
mt hatte, einen Mann in die Hinrichtungszelle zu schicken. Die Kammer verurteilte damals den Profiboxer
Iwao Hakamada wegen Mordes zum Tode. Im März 2009 ging Ex-Richter Kumamoto in einer Pressekon-
ferenz an die Öffentlichkeit, um das Unrechtsurteil zu kritisieren.
Die angebliche Mordwaffe im Fall Hakamada war einem Gutachten zufolge zu klein, um die tödlichen
Wundenverursacht zuhaben.Derangebliche Fluchtweg desBoxerswarderVerteidigung zufolge versper-
rt. Später aufgefundene Kleidung mit Spuren vom Tatort war dem Angeklagten zu klein.
Richter Kumamoto war damals dennoch dem Urteil des vorsitzenden Richters gefolgt, der sich allein
aufdasGeständnis stützte. Unddasobwohldie Anwälte Hakamadas vorGericht angeführt hatten, dassdie
PolizeidenAngeklagten21TagelangtäglichlängeralszwölfStundenintensivverhörthabe,biserschließ-
lichfiebrigunderschöpfteinvorgefertigtesDokumentunterschrieb.EineMenschenrechtsorganisationund
ehemalige Boxkollegen versuchen seit 28 Jahren, Hakamada wieder freizubekommen, doch Anträge auf
einneuesVerfahrenhatderApparatstetsabgelehnt.DasArgument:EinunterschriebenesGeständnisräumt
alle Zweifel aus.
Japans Polizei kann Verdächtige 23 Tage in den engen Zellen der Polizeistationen behalten und sie nach
derEntlassungsofortwiederfestnehmen.DerJuristundMenschenrechtsaktivistKatsuhikoNishijimasagt,
nach pausenlosen Verhören in sogenannten Hilfsgefängnissen würden selbst charakterstarke Unschuldige
ein falsches Geständnis unterzeichnen.
Viel Aufsehen erregte der Fall von Toshikazu Sugaya, der von 1993 bis 2009 wegen Mordes an einem
kleinen Mädchen saß. Er war seinerzeit mit einer frühen Version von DNA-Tests überführt worden - zu
Unrecht. Eine neue Untersuchung der genetischen Spuren hat belegt, dass Sugaya nicht am Tatort gewesen
war. Das Gericht musste sein Urteil wieder aufheben, der Busfahrer ist heute frei.
Solche Nachrichten gehen auch an der Justiz nicht spurlos vorbei. Im Februar 2008 weigerten sich die
Richter in einem Korruptionsprozess, Geständnisse von sechs Angeklagten zu akzeptieren. Die Polizei
hatte einen von ihnen für insgesamt 395 Tage in Untersuchungshaft gehalten und ihnen gedroht, dass die
Arbeitsplätze ihrer Kinder in Gefahr seien, wenn sie kein Geständnis ablegten. Die Richter bewiesen zur
Abwechslung mal richtig gesunden Menschenverstand: »Wir hegen daher Zweifel an der Verwertbarkeit
dieser Geständnisse.« Doch häufig arbeiten Gerichte und Polizei immer noch gut zusammen, um den an-
geblich Schuldigen zuverlässig hinter Gitter zu bringen.
Wer es nicht mit der Polizei zu tun bekommt, lebt im Land des Lächelns so sicher wie nirgendwo sonst
undgenießtalleerdenklichen persönlichen Freiheiten. IchhabefürmichdenSchlussdarausgezogen,alles
so korrekt wie möglich anzustellen, um gar nicht erst in die Mühlen des Systems zu geraten. Auch wenn
mich mein Nachbar also vermutlich nicht erschlagen wird - ich werfe keine Dosen zum brennbaren Müll
und setze im örtlichen Schwimmbad wie vorgeschrieben eine Badekappe auf.
Um vorweg eines klarzustellen: Auf japanischem Boden habe ich nie Cannabis besessen oder geraucht.
Das ist wichtig. Sonst könnte die japanische Drogenpolizei am Tag der Veröffentlichung dieses Buches
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