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durchmeineTürstürmenundmichfürzehnJahreinsGefängnisstecken.DennzurgutenOrdnunginJapan
gehört auch ein strenger Umgang mit Drogen.
Die Polizei hat beispielsweise völlig überreagiert, als der Pop-Star Tsuyoshi Kusanagi sich nachts um
drei Uhr in einem Park nackt auszog. Den Beamten rief er fröhlich entgegen: »Was ist schon dabei, nackt
zu sein?« Sie nahmen ihn wegen öffentlichen Sittlichkeitsvergehens fest, obwohl niemand sonst im Park
war. Die Polizei schnitt ihm eine Haarlocke für einen Drogentest ab. Während der Popstar mehrere Tage
in einer Zelle saß, durchsuchten sie sein Appartment. Als klar war, dass Kusanagi sich nur an Reisbrannt-
wein berauscht hatte, ließ die Polizei ihn wieder frei. Der Ruf seiner Band, der gealterten Boygroup Smap,
war jedoch daraufhin angeschlagen. Firmen strichen Werbeaufträge, und ein fertiger Film mit Kusanagi
als Schauspieler kam vorerst nicht ins Kino. So nervös ist Japans Obrigkeit, selbst wenn es um die harm-
losesten Drogen geht.
Im Fernsehen lief einmal eine Magazinsendung mit einem Beitrag über die erschreckende Verbreitung
des Kiffens unter japanischen Studenten. Keio-Universität: ein Student hatte Hasch geraucht. Hosei-
Universität: zwei solcher Fälle. Und jetzt sogar die Waseda-Universität: ebenfalls zwei Fälle. Die Fernse-
hbilder waren unterlegt mit gruseliger Musik.
Der Präsident der Waseda-Univsersität erklärte: »Die betreffenden Studenten haben sich über das In-
ternet zehn Samen der Hanfpflanze beschafft und sie zu Hause angebaut. Dann haben sie die daraus
entstandenen Pflanzen als Rauschmittel missbraucht. Wir entschuldigen uns mit voller Aufrichtigkeit für
den Schaden, den wir in der Öffentlichkeit verursachen!« Dann verbeugte sich der Mann fast bis zum
Boden. Links und rechts standen die Dekane und verbeugten sich mit.
KurzzuvorwareinStudentderbekanntenPrivatuniKeiodreiTagelangTop-ThemaderHauptnachricht-
en und der ersten Seiten der Zeitungen gewesen. Die Polizei hatte ihn festgenommen, weil er einen Joint
geraucht und fast zwei Gramm Haschisch an einen Kommilitonen verkauft hatte. Die Sendungen über-
schlugen sich in Empörung über den Grad an Verkommenheit, den die einst so renommierte Institution der
Bildungerreichthatte.DieKarrieredesjungenManneswarruiniert,bevorsieangefangenhatte.Ichkonnte
die Leute seitdem mit der Gruselgeschichte faszinieren, dass dieselbe Menge Hasch in Deutschland prakt-
isch als legal durchgegangen wäre.
Bei allen Haschisch-Skandalen gab es eine Gemeinsamkeit. Die Beschuldigten sagten im Fernsehen den
Satz: »Ich habe das Zeug von einem Ausländer gekauft.« Das war absolutes Pflichtinventar der Berichter-
stattung, egal ob russische Sumo-Ringer oder Studenten der Keio-Universität. Mir war es recht. Es machte
uns Ausländer für die Japaner interessanter, gefährlicher und verwegener. Wenn ich erzählte, dass ich als
Teenager an Joints gezogen hatte, erntete ich sehr, sehr langgezogene Laute des Erstaunens.
Ein Psychologe erklärte im Fernsehen, welche schwerwiegenden Folgen das Kiffen haben kann: »Die
jungen Leute haben fast kein Problembewusstsein. Es folgt unausweichlich eine Spirale von Sucht und
Verwahrlosung. Wenn das so weitergeht, ziehen bei uns noch westliche Verhältnisse ein!«
Europäische Verhältnisse, ja, die müssen Japans Politiker um jeden Preis verhindern. (Das erinnert
mich an die Infobroschüre zur Check-up-Untersuchung in meinem örtlichen Krankenhaus: »Wegen der
Europäisierung-Amerikanisierung unserer Essgewohnheiten steigt derzeit auch in unserem Lande die Zahl
der Herz- und Gefäßerkrankungen steil an.«) Und jetzt auch noch Hasch. Der Experte im Fernsehen hatte
vermutlich keineAhnung,wieunfassbarastronomisch weitTokiosDrogenproblem nochvondemAmster-
dams oder Berlins entfernt ist. Oder er wusste es eben doch, aber Japan wehrt den Anfängen.
ZugleichzeigtsichhierwiederdieKlassengesellschaft,indieJapaninoffiziellgeteiltist.MeinGewährs-
mann aus dem realen Japan (anders als sonst sage ich jetzt nicht, wer) versicherte mir: »Als wir in der
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