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»Oh, ein Ausländer-Autofahrer … Können Sie … Kann ich …?«
»Japanisch ist okay«, sagte ich und schaute auf sein Namensschild. Der Polizist hieß Okuno.
»Sie kennen doch die gelben Linien?«, fragte er und zeigte auf die Streifen zwischen den Fahrbahnen
vor der Ampel. Mir schwante etwas.
»Ja …«
»Da drüberzufahren ist gefährlich. Es könnte doch ein Taxi schnell von hinten angerauscht kommen«,
erklärte er geduldig.
»Es gibt keine Entschuldigung für mein Fehlverhalten!«, sagte ich demütig. In Japan ist es üblich, sich
bei der Obrigkeit zu entschuldigen.
»Darf ich mal den Führerschein des Herrn Autofahrers sehen? Und die Alien-Registrierungskarte?« Er
warf einen Blick auf meine Karte. »Sie sind ja Deutscher?«
»Ja …?«
Er beugte sich ins Fenster und sah mich lange mit milden braunen Augen an. Enttäuscht, verletzt.
»Ich hätte nie gedacht, dass ein Deutscher eine Ordnungswidrigkeit begeht.«
Ich hatte schon gehofft, es werde bei der Ermahnung zu den Gefahren beim Überfahren der gelben Stre-
ifenbleiben.DochnunholteereinenFormularblockherausundfülltegleichmehrereSeitensehrgründlich
aus. Die Hälfte der Zeit stand er hinter dem Auto. Er ließ mich die Lesung meines Namens aufschreiben
und fragte mich nach meiner Handynummer. Zwischendurch warf ich immer mal demütig Sätze ein wie:
»Estutmirleid.Esistsehrgefährlichundverboten,überdieLiniezufahren.EsgibtkeineEntschuldigung
für meine Übertretung.«
Ichfürchteteschon,erwerdemirdenFührerscheinabnehmen,dennichhattenochdengrünenAnfänger-
streifen auf der Plastikkarte. Eine kleine Übertretung reichte, und das Ding war weg. Der Polizist reichte
mir nun das untere Ende des Formulars durchs Fenster.
»Hier bitte unterschreiben …«, sagte er, drückte seinen eigenen Bestätigungsstempel drauf und hielt mir
die andere Seite des Stempelkissens hin. »… und dort den Fingerabdruck hinmachen.«
Ich blicke entsetzt.
»Bitte schwärzen Sie den Zeigefinger der linken Hand und machen Sie Ihren Fingerabdruck hier auf das
Formular!«, sagte er plötzlich im Befehlston.
Ich schluckte, schwärzte den Finger und drückte ihn in das vorgesehene Feld. Er guckte missbilligend,
ich hatte geschmiert.
»Sooo, das macht dann 6000 Yen, bitte bezahlen Sie den Vorgang mit diesem Formular bei einer Bank
oder einem Postamt.«
6000 Yen waren 45 Euro. Für das Überfahren einer Fahrbahnmarkierung vor einer Ampel!
»Ich werde es bestimmt nicht wieder tun«, sagte ich.
»Und schön vorsichtig weiterfahren, wir stehen heute in dieser Gegend an jeder Ecke.«
Während ich die Scheibe hochgleiten ließ, hörte ich ihn noch mumeln: »Also wirklich, ein Deutscher,
und fährt über eine gelbe Linie …«
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