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»Wasserhandel«, Mizushôbai, nennen die Japaner die Halbwelt der Hostessen-Bars und kleinen Cab-
arets. Die meisten davon sammeln sich im Rotlichtviertel von Shinjuku, dem »Sing-Tanz-Kunst-Viertel«,
japanisch Kabukicho. Doch die Hostessen-Bars nisten auch überall sonst, wo viele zahlungskräftige Kun-
den oder Kundinnen vorbeikommen. In einigen der Etablissements unterhalten beispielsweise junge Män-
ner einsame Frauen. In Kabukicho zeigen haushohe Werbetafeln die Gesichter dieser Hosts mit ihren Vor-
namen unter dem Logo ihrer Clubs mit Namen wie »Tokyo Feel« oder »Gently«. Dafür, dass sich das
AngebotanerwachseneFrauenwendet,sehendieJungsüberraschendjugendlichaus,abersanfteundnied-
liche Gesichter kommen anscheinend gut an.
Ausdrücklich an verheiratete Frauen richten sich Bars, in denen als Jungen verkleidete Frauen arbeiten
- das Gegenstück zum Dazzling. Dazu gehört zum Beispiel der »O-Nabe-Kurabu« in Shinjuku-Ost. Ur-
sprünglich männliche Transvestiten heißen Kama, »Ofen«, Frauen in Männerrollen heißen Nabe, »Topf«.
Andere Etablissements bieten als Attraktion westliche junge Frauen als Hostessen an. Da gehen dann
Männer hin und zahlen mehrere hundert Euro dafür, dass ihnen eine Russin die Zigarette anzündet.
Hostessen-Bars seien keine Orte der Prostitution, versicherte Yamahira-san. »Es ist wie mit einem Schild
›Massage-Salon‹.Indenallermeisten LädengibteswirklichnureineMassage.WenndieHostessenallerd-
ings Filipinas sind, oder der Laden in bestimmten Straßen in Kabukicho liegt, dann bieten sie wahrschein-
lichweiterreichendeDienstleistungenan.«InGotandasuchendieKundenjedochnurAufmerksamkeitund
angenehme Gespräche in einer ganz anderen Welt als der Firma oder dem engen Zuhause.
NichtdassessowasaufderReeperbahnnichtauchgebenkönnte,aberinJapansindsolcheAnimierbars
viel verbreiteter. In Tokio wohnen 20 Millionen Menschen, aber erschreckend viele von ihnen scheinen
sich Zuwendung erkaufen zu müssen. Manche junge Büroangestellte hat schon ihr ganzes Gehalt in eine
Host-Bar getragen. Denn in der Scheinwelt des Wasserhandels lassen sich die Kunden und Kundinnen
leicht überreden, Champagner für alle zu spendieren bis in die Morgenstunden. In den Touristenvierteln
passiert das auch ahnungslosen Kunden, die in eine der normalen Hostessen-Bars hineingestolpert sind,
wo hübsche Frauen die Männer zum Trinken anregen. Beim Hinausgehen wundern sie sich dann über die
Rechnung. Neulich berichtete Yamahira-san über einen Fall, bei dem ein mittlerer Angestellter 7000 Euro
für vier Stunden in so einem Etablissement zahlen sollte. Die Mafia drohte: Wenn er nicht blechte, werde
seine Frau die Fotos zu sehen kriegen.
Yamahira-san traf ich auch sonst bei Recherchen zum seltsamen Japan. Ein Verkaufsrenner waren zwis-
chenzeitlich Büstenhalter für Männer. »Das sitzt total toll«, erklärte der Chef der Firma »Wishroom« den
Journalisten bei einer Präsentation. Der Mittvierziger war mit nacktem Oberkörper aufgetreten und trug
einen schwarzen, eher billig aussehenden Streifen um den Oberkörper. »Das Problem mit herkömmlichen
Büstenhalternist,dasssievornevielzuvoluminösgeschnittensindfürdiedurchschnittlicheMännerbrust.«
Ach!
»WirhabendasProblemgelöst,indemwirvoneinerweitgehendflachenFormausgehen«,erläuterte der
Firmenchef. »Es fühlt sich jetzt einfach toll an und fällt auch unter einem Businesshemd gar nicht auf.«
Ich stellte mir die braven Mitarbeiter von Banken und Handelshäusern vor, die unter schwarzem Jackett
und weißem Hemd einen cremefarbenen BH trugen. Was passierte wohl, wenn mal ein Notfall eintrat -
Herzanfall, Hitzewallung - und sie das Hemd öffnen mussten?
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