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sicher: »Bei mir geht es jetzt hier lang. Vielen Dank noch mal.« - »Bleiben Sie mir bitte geneigt!« - »Auch
ich wünsche alles Gute für unsere weitere Zusammenarbeit.« Und so strebten wir los.
In Wirklichkeit musste ich in eine andere Richtung. Doch die Sitten schreiben vor, sich klar zu trennen,
damit der Termin ein vernünftiges Ende findet. Mit einem beruflichen Bekannten will keiner noch die Zeit
auf dem U-Bahnsteig und womöglich in einer vollen U-Bahn rumbringen. Ich bog also zügig zweimal ab,
schlug einen kleinen Haken und strebte jetzt - immer noch unterirdisch - einen breiteren Gang entlang auf
mein wirkliches Ziel zu.
Da kam mir Takahashi-san entgegen. Er war vor mir von der anderen Seite her in dieselbe Hauptader
eingebogen.
Es folgten Momente, in denen ich hin und her gerissen war. Sofort wieder abbiegen und fliehen? Ihn
wieder begrüßen? Oder …
Takahashi-san machte es vor, ganz Einheimischer in Tokioter Umgangsformen. Er ignorierte mich.
Wir gingen mit einem halben Meter Abstand aneinander vorbei und schauten dabei streng geradeaus, als
würden wir uns nicht sehen. Dazu gehört eine ordentliche Portion der japanischen Fähigkeit, die Realität
so wahrzunehmen, wie sie sein soll, statt wie sie wirklich ist.
Tokio hat zwar vieles mit einem Spielplatz gemeinsam, aber es liegt nicht so übersichtlich ausgebreitet
da - es will entdeckt werden. Als ich nach einigen Monaten dachte, die wichtigsten Gegenden endlich zu
kennen - Ginza, Odaiba, Shinagawa, Roppongi, Shibuya, Shinjuku, Ikebukuro, Ueno -, fand ich dazwis-
chen plötzlich viel nettere Ecken: Shimo-Kitazawa mit seinen Klamottenläden oder den Götterfreudenhü-
gel Kagurazaka mit den vielen Bars und Restaurants.
Beim Jogging am Sumida-Fluss entlang Richtung Hafen fand ich langgestreckte Parks mit elegant
geschwungenen Brücken und einen Dekorationshafen, in dem eine holländische Kogge als Ausstel-
lungsstück im Schlamm stand. Am Ufer versammelten sich die Omas und Opas aus sämtlichen Zeichen-
kursen der Stadt und malten den Anblick im niederländischen Stil. Zu Fuß auf dem Weg von Akasaka
Richtung Regierungsviertel, gewann die Stadt plötzlich europäische Lebensqualität im asiatischen Stil. Da
standen die roten Tore von Schreinen zwanglos neben Cafés im Pariser Stil.
Für mich war es täglich eine neue Freude, mich in diesem Tokio zu bewegen und es zu erkunden. Als
Journalist hatte ich das Glück, ständig an neue Orte zu dürfen. Mal lud eine Bank in ein verwinkeltes
kleinesMuseumfürmoderneKunstein,malbesichtigteichneueElektroprodukteimComputerviertelAki-
habara, danach Mode im schicken Stadtteil Aoyoama.
In Yokohama aß ich mit Freunden im chinesischen Viertel Haifischflossensuppe. Ich hatte vergeblich
versucht, sie mit Hinweis auf die Brutalität der Fangmethode von der Bestellung abzubringen. Schließlich
aß ich mit und sagte mir, der Verzicht würde ohnehin keinen einzigen Hai retten. Die Asiaten sind in Asien
klar in der Überzahl. (So hielt ich es dann auch mit Wal.) Anders als in den Chinatowns in Amerika wohnt
indiesenStraßenzügeninYokohamanichtwirklichdiechinesischeGemeinschaft.Hiergehtesausschließ-
lich ums Geschäft mit Touristen. Übertrieben chinesisch dekorierte Verkaufsstände für Dampfbrötchen mit
Fleischfüllung und Andenkenkaufhäuser mit viel Rot und Gold an der Fassade reihen sich aneinander.
Ein anderer Ausflug führte mich zu der kleinen »Buchtinsel«, Enoshima, wo sich Steintreppchen einen
Hügel hinauf vorbei an Buden für Räucherstäbchen zu einem kleinen Schrein winden. Wer bei einem Fest
imSommerdortdreimallinks,dreimalrechtsherumdurcheinengroßenKranzausSeilengeht,sichertsich
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