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In Fukui war alles einigermaßen bezahlbar, so dass ich in der Lebensmittelabteilung auch probeweise
einkaufen konnte, was ich nicht kannte. Etwa eine Packung Baby-Tintenfische oder einen Beutel mit
schleimigen braunen Streifen aus dem Meer. Ich rief dann Frau Matsubara an, um mir Tipps für die
Zubereitung geben zu lassen.
Im Supermarkt staunte ich über die Frische des Fischs. Auf den Packungen standen Fangminute und
Haltbarkeitsminute,etwa:»Fangzeit4.29Uhr.Gekühlthaltbarbis16.29Uhr.«Dasssichbeidesaufdensel-
ben Tag bezieht, ist in der Rohfischkultur selbstverständlich. Zwei Stunden vor Ablauf des Datums kleben
die Verkäuferinnen mit ihren weißen Hauben und adretten Schürzen auf jede Packung einen Aufkleber für
zehn Prozent Nachlass. Darauf wartete ich und deckte mich preiswert ein.
Die Ernährung von Studenten besteht auch hier aus Mensaessen und Fertignudelsuppen, aber ich ver-
suchte, mir zumindest einen Teil selbst zu kochen. Als ich meine Baby-Tintenfische in die Soße tauchte
und darauf herumkaute, saß ich gerade vor dem Fernseher.
»Heute bereitet unser Chefkoch Yamamura-san einen Riesenoktopus aus dem japanischen Meer für uns
zu«, sagte die niedliche Moderatorin der Kochsendung in die Kamera. Ich blickte zwischen dem daumen-
großen Tintenfisch zwischen meinen Stäbchen und dem mannsgroßen Oktopus im Studio hin und her.
Der Krake wollte nicht in den Topf, das war offensichtlich. Seine Tentakel klammerten sich an den
Rändern fest, auf beiden Seiten schlangen sich die feinen Spitzen um die Griffe. Der Topf war so groß wie
ein Blumenkübel, die Fangarme bestimmt einen Meter lang. Zwei Köche in weißen Uniformen versuchten
die Kreatur mit Stangen ins Wasser zu drücken. Eines der braungrauen Tentakel klammerte sich noch um
den Unterarm des einen Kochs, da gelang es dem anderen, das Tier so nahe ans kochende Wasser zu brin-
gen, dass es sich verbrühte und die Kraft in den Armen verlor. Der Krake stürzte in den Topf, in dem das
Wasser noch einmal mächtig aufwallte und dann weiterkochte.
Schnitt, die Studiogäste haben bereits Stücke des Kraken in Marinade mit Gemüse auf ihren Tellern.
»Leeeeeecker«, bricht eine der geladenen Berühmtheiten in spitze Schreie der Verzückung aus. Ich machte
Laute des Erstaunens.
VonAnfanganwollteichmöglichstvielejapanischeFreundegewinnen.MitJoshua,einemamerikanischen
Mitstudenten, wagte ich mich in das Borg-Schiff. So nannten wir das Wohnheim für die einheimischen
Studenten - den verfallenen Betonkasten hinter einem hohen Zaun neben unserem Wohnheim. Es war das
Gebäude, das ich am ersten Tag für ein Abbruchhaus gehalten hatte. Hinter einem weiteren Zaun stand
noch ein zweiter, identischer Klotz. Das war das Heim für Mädchen.
In den frühen Morgenstunden sah ich von meinem Fenster aus, wie männliche Gestalten auf den Feuer-
treppendesMädchenheimsauftauchten,runterliefen,inderMitteüberdenZaunturntenundaufderander-
en Seite bei den Jungs wieder die Feuertreppe hinaufschlichen. Die Hausmeister erlaubten offiziell keinen
Zimmerbesuch über Nacht. Da die Studentinnen und Studenten in Zweierzimmern schliefen, mussten sie
ihre Zusammenkünfte vermutlich gut organisieren.
Auf den Vergleich mit den Raumschiffen der unheimlichen Maschinenwesen aus »Raumschiff Enter-
prise« kamen Joshua und ich bei unserer ersten Expedition dort hinüber. Die Borg ignorieren Besucher auf
ihren Schiffen, in denen eine düstere, dampfige Atmosphäre herrscht. Genau wie in diesen Wohnheimen.
Uns war tatsächlich etwas bange. An den Wänden wucherten braune Flecken. Das Resopal des Fußbodens
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