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daneben, als ich die Oberschüler finster anstarrte. Auf der einen Seite hatte ein Junge die ganze Nacht mit
einemkrampfhaftenHustengekämpft,derdadurchnochschlimmerklang,dasserihnunterdrückenwollte.
Auf der anderen Seite hatten die Mädchen bis in den Morgen gewispert und gekichert.
In der nahe gelegenen Stadt Nagoya geriet ich in meinen ersten starken Taifun, und, Mensch, was hat es da
geregnet! Als ich einen Bekannten von Kenji anrief, sagte dieser das geplante Treffen kurzerhand ab: »Bei
so einem Wetter hat das keinen Sinn.«
Diese Japaner sind aber ziemlich empfindlich, dachte ich. Die lassen sich schon von ein bisschen Regen
beeindrucken. Wir Deutsche sind da aus einem anderen Holz geschnitzt!
TaifuneregnenUnmassenanPazifikwasserüberdemfestenLandwiederab.IchhattedamalskeineVor-
stellung davon, was dann los ist.
Ich fuhr vom Hotel mit der U-Bahn ins unterirdische Einkaufszentrum am Bahnhof und wunderte mich,
dass dortsowenig Menschen herumliefen. Bei Regenwetter waren unterirdische Geschäfte dochgenau die
richtige Wahl. Oder? Mir fielen die gestressten Männer in Arbeitsuniformen auf, die Bretter umhertrugen.
Mal sehen, wie es jetzt oben aussieht, dachte ich und näherte mich einer der Treppen, die zur Erdober-
fläche hinaufführten. Die Geschäfte in der Nähe des Aufgangs hatten geschlossen und ihre Türen abgedi-
chtet.
Als ich auf der zweiten Stufe angekommen war, kam mir eine Sturzflut entgegen. Das Wasser lief nicht
einfach von Stufe zu Stufe. Es ergoss sich weiß schäumend das Treppenhaus hinunter. Ich wurde sofort
bis zum Knie nass. Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Es war einer der Uniformierten, der mich
in die Sicherheit der inneren Gänge zurückwies. Die Männer begannen, den Eingang mit den Brettern zu
verrammeln. Direkt am Fuß der Treppe gab es einen gut dimensionierten Gully, doch ich fragte mich, ob
er all das Wasser abführen konnte. Er konnte nicht. In einiger Entfernung stand ich in dem Gang, als eine
erste Welle meine Füße umspülte. Einer der Arbeiter machte eine scheuchende Bewegung in meine Rich-
tung:WasstehtderTouristen-Idiotdennhieruntenrum,wennoben40MillimeterNiederschlagproStunde
runterkommen? Die Zahl von 40 Millimetern hatte ich morgens im Wetterbericht gehört, damit aber nichts
anfangen können.
Ich suchte den Übergang zur U-Bahn und fuhr ins Hotel zurück. Auf den Metern vom U-Bahn-Ausgang
zurDrehtürderHerbergedurchnässtemicheineheulendeMischungausWindundWasser.Ichmusstemich
dem schräg entgegenstemmen, um nicht umgeweht zu werden. »Aber Herr Ausländer«, sagte die Frau an
der Rezeption, »es ist unklug, bei Taifun aus dem Haus zu gehen.«
Sie verwies mich aufs heiße Gemeinschaftsbad des Hotels, und immerhin das wusste ich nach meinen
Erfahrungen in Kioto zu benutzen.
Meine Reise führte mich auch in die Stadt Kanazawa. Das bedeutet »Goldmoor«, wie mir die Einheimis-
chen erklärten. Auf dem Weg musste ich dabei bereits durch meine künftige Heimat gefahren sein, die
Stadt Fukui, wo ich später ein Jahr studieren würde. Damals war dieser Ort für mich jedoch nur einer der
vielen Haltebahnhöfe des Eilzugs.
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