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»So wie Zigaretten auch. Mein Trinken hier war die ganze Zeit illegal. Alkohol ist in Deutschland ver-
mutlich schon ab 18 erlaubt?«
»Ab 16, Kenji, ab 16. Und wir haben uns auch vorher schon auf Partys abgeschossen.«
Was machte Kenji, als er das hörte? Laute des Erstaunens.
KenjihatteinIkebukuroallerdingsnichtzumerstenMalAlkoholgetrunken.DieMatsubaraskauftensogar
für mich als Deutschen besonders viel Bier ein, und Mutter Matsubara versammelte mir zu Ehren weitere
Familienmitglieder zumGrillen aufderTerrasse. Eskamen dieOmaausdemNachbarort undKenjis ältere
Schwester, die als Büroangestellte in Tokio arbeitete. »Sie will dich unbedingt angucken, hat sie gesagt«,
verriet mir Kenji.
Japaner grillen zu Hause entweder auf einem kleinen, schweren Tongrill oder auf einer heißen Eisen-
platte. Heute Abend baute Vater Okayama die elektrische Eisenplatte auf dem Gartentisch auf.
AndiesemAbendwardasWetterschön,dieLuftglasklar.VorunserstrecktesichdieWeitedesPazifiks.
Es sah aus, als könnten wir bis nach Amerika hinüberblicken, wenn die Erde nicht gekrümmt wäre. Zum
ersten Mal konnte ich die lange Reihe von Inseln erkennen, die von Tokio aus viele hundert Seemeilen ins
Meer hinausreichen.
Die Familie wohnte in einem traditionellen japanischen Holzhaus: einstöckig, auf Steinen gelagert ohne
Keller, die meisten Zimmer mit Tatamimatten ausgelegt. Den echten alten Eingang benutzten die Matsub-
aras nicht mehr - alle nahmen immer die Seitentür zur Küche. Deshalb war dort auch eine Eingangsstufe
angebaut: eine Fläche zum Ausziehen der Schuhe. Ins Haus musste der Gast eine Stufe hochsteigen, und
dann stand er in der Küche. Links ging ein Gang ab, den papierbespannte Schiebetüren von den Räumen
dahinter trennten, alle mit Tatami ausgelegt. Eine lange Front von Glasscheiben ging nach vorne hinaus
und öffnete den Blick über den Pazifik. Von hier aus war ich in den kleinen Garten mit knorrig-krummen
Zedern hinabgestiegen. Ich trank mit Herrn Matsubara Bier, als die Oma den Pfad entlangkam.
»Obâ-san, das ist unser Gast«, sagte Herr Matsubara. Er sagte es besonders deutlich, damit die Obâ-san
es auch verstand.
»Ach so«, sagte sie.
»Aus Deutschland!«
»Ah.Ah.IchwarauchschoninDeutschland!«,verkündetedieOma.»VorvielenJahren.Dagabesviele
Blumen.«
Ich zog die Augenbrauen hoch.
»Aber Obâ-san. Das war doch Indien«, sagte der Vater.
»Jaja, Indien, sagte ich doch«, erwiderte die Oma.
»Ich bin aus Deutschland in Europa«, stellte ich mit meinem begrenzten Japanisch klar.
»Er kann ja sprechen«, wunderte sich die Oma. »Von Deutschland ist doch jetzt nicht mehr Bonn die
Hauptstadt …«
So viel hatte ich verstanden. »Ja, genau!«
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