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Halbaussteiger-Jargon in mein Ohr: »Ich weiß noch, wo es hier heute abgeht. Das ist
aber privat. Da müßt ihr echt auf mich warten, das kann ich nicht verraten.« Also
zahlten wir, riefen »Bis später, Matthias« und gingen schnurstracks in unser Hotel zu-
rück.
Wenige Minuten später saßen wir im Zimmer und sinnierten über Großraumdisko-
theken und die Unmöglichkeit, an der Algarve auszugehen. Der Irrtum lag darin, anzu-
nehmen, das Nachtleben hier würde sich in irgendeiner Form von Ibiza, Mykonos oder
Rimini unterscheiden. Es blieben also doch nur Lissabon und Porto.
Die Angewohnheit der Portugiesen, während eines Ausgehabends, ähnlich wie die
Spanier, nie länger als für ein oder zwei Getränke in einer Bar zu verweilen, macht das
Ausgehen zu einer anstrengenden Unternehmung. Die oftmals Besitzer und Dekorati-
on wechselnden Etablissements erleben eine kurze Blüte, wenn der Troß der jungen
Leute sie zum trendigen Aufenthaltsort erklärt, sind dann aber oft ebenso schnell ver-
gessen. Eine Ausnahme hiervon stellen die Tanzbar Swing in Porto und das gesamte
traditionelle Ausgehviertel Bairro Alto in Lissabon dar. Wer hier ein paar Jahre nicht
vorbeigeschaut hat, wird nichtsdestotrotz immer noch die gleichen alten Institutionen
des Nachtlebens vorfinden. Die Groove-Bar der Drei kleinen Hirten etwa, Os três pas-
torinhos , nach dem graphischen Bild der Hausnummer in der Rua da Atalaia 111 und
dem Fátima-Geschehen benannt, halten die Stellung, wie auch der legendäre
Achtziger-Jahre-Disko-Tempel Frágil um die Ecke und der gediegene Cocktail-Club
Pavilhão Chinês .
Mit der Aufbruchsstimmung der letzten Jahre sind in Lissabon aber auch neue Mo-
dalitäten hinzugekommen. Etwa eine Buchhandlung ganz in der Nähe, die bis spät in
die Nacht hinein ihr Avantgarde-Sortiment an Kunst, Architektur, zeitgenössischer Li-
teratur und internationalen Büchern für Intellektuelle und verirrte Partygänger offen-
hält, die dort auch Tee oder Kaffee bekommen können, während sie in den Büchern
herumstöbern. Auch sieht man ab und zu nach unrasierten Nachwuchsautoren ausse-
hende Portugiesen, die zu fortgeschrittener Stunde mit Freunden diskutieren. Selbst
Modefreaks können ihrer Leidenschaft bis weit über die üblichen Ladenschlußzeiten
hinaus nachgehen. Fátima Lopes, die Modediva, hat hierfür ihren Laden in der Rua da
Atalaia einfach zum kombinierten Diskothekenkaufhaus umgebaut, das sich im Ver-
lauf der Nacht zum Treffpunkt von sonst nie gesehenen Paradiesvögeln verwandelt,
die nach absolviertem Tanzmarathon gerne auf einen Impulskauf in den nächsten
Raum wechseln und umgekehrt. Die sprichwörtliche Freundlichkeit der Portugiesen
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